Ein Bild der Zerstörung bot sich nach dem Anschlag auf die Vereinsräume in Feuerbach. Foto: Lg/Piechowski

Liefert die Körpergröße des Angeklagten den entscheidenden Hinweis auf seine Tatbeteiligung? Darum ging es am Dienstag im Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht.

Stuttgart - Im Verfahren gegen einen 21-jährigen Stuttgarter, der am Brandanschlag auf die Moschee in Feuerbach im Dezember 2015 beteiligt gewesen sein soll, drehte sich am zweiten Verhandlungstag alles um die Frage, ob sich nachweisen lässt, dass er eine der vermummten Gestalten auf dem Überwachungsvideo ist. Dazu waren unter anderem LKA-Beamte geladen, die im Kontakt zu sogenannten Vertrauenspersonen Hinweise auf die Identität des Manns gegeben hatten. Bei dem Anschlag Mitte Dezember hatten Vermummte mehrere Brandsätze in das Gebäude der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) geworfen.

Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen

Alles in allem ist der Prozess gegen den 21-Jährigen kein ungewöhnliches Verfahren. Dass der Angeklagte beharrlich schweigt, weder zu seiner Person noch zu den Vorwürfen etwas sagt, kennen Richter aus vielen anderen Prozessen. Nicht alltäglich ist jedoch eine Methode, mit der die Juristen am Montagmorgen aufwarteten, um einen Schritt weiterzukommen auf der Suche nach der Wahrheit. Sie packten Kleidungsstücke aus einer Asservatenkiste aus und baten den jungen Mann, diese anzuziehen. Mit knapp sitzender Kapuzenjacke, Baseballkappe und Turnschuhen, allesamt bei ihm zu Hause beschlagnahmt, kam der junge Mann aus dem Nebenraum zurück. Die Richter baten ihn, sich an die Wand zu stellen, packten einen Zollstock und ein mit Wasserwaage versehenes Lineal aus, das sie auf den doppelt bemützten Kopf – mit Baseballkappe und Kapuze – des jungen Mannes legten. Das Ergebnis: Ein Meter und 89,5 Zentimeter.

Diese Zahl wurde erheblich, als am Nachmittag eine technische Beamtin des Landeskriminalamts aussagte. Ihr Spezialgebiet sind Tatortvermessungen. Eine Überwachungskamera hatte die Tat gefilmt. Mittels einer dreidimensionalen Aufnahme der Örtlichkeiten vor den Vereinsräumen in Feuerbach, wo Bilder der Täter auf der Flucht und beim Werfen der Brandsätze aufgenommen wurden, konnte sie die Größe des Tatverdächtigen errechnen. Sie komme auf einen Meter und 84,3 Zentimeter, mit einer statistischen Abweichung von plus/minus 3,2 Zentimeter – also nicht auf denselben Wert wie die Richter bei der Messung am Morgen.

Zeugen beschreiben „den Watschelgang und die aggressive Art“ des Tatverdächtigen

Eindeutiger waren die Aussagen der Kriminalbeamten, die Kontakt zu den Vertrauensleuten hatten. Zwei dieser Kenner der Szene bestätigten unabhängig voneinander, dass der Mann auf dem Video, den sie „den Dicken mit dem Watschelgang“ nennen, der 21-Jährige auf der Anklagebank sei. Er wurde mehrfach identifiziert. Die Vertrauensleute wussten zu berichten, dass er im kurdischen Kulturverein aufgrund seiner Aktivität im Umfeld der rockerähnlichen Vereinigung Red Legion keinen Zugang mehr gehabt hätte. Auch sei er ihnen „mit seinem Watschelgang und seiner aggressiven Art“ schon mehrfach auf Demonstrationen aufgefallen.

Dass die Identifizierung nicht einfach sein würde, bewies der Auftritt eines jungen Manns, den die Polizei im Dezember nach der Tat überprüft hatte. Bis auf drei Buchstaben im Vornamen heißt er fast gleich wie der Angeklagte, ist nur wenige Zentimeter kleiner und hat ebenfalls dunkle Haare und einen Bart. Er konnte jedoch ein nachvollziehbares Alibi für die Tatnacht liefern, und die Vertrauensleute erkannten ihn auf Fotos nicht wieder.

Der Prozess geht am 5. Oktober weiter.