Ein halbes Jahr dauert der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder von Aie W. schon – ob er wie derzeit geplant am 1. Februar endet, ist fraglich. Foto: Weingand/STZN

Am 1. Februar soll das Landgericht Stuttgart im Prozess um die Tötung der Seniorchefin des Backnanger China-Restaurants Asien-Perle sein Urteil verkünden, die Plädoyers sind gehalten. Doch ein Antrag der Verteidigung könnte den Prozess noch erheblich in die Länge ziehen.

Stuttgart/Backnang - Die grausamen Details des Mordfalls in dem China-Restaurant Asien-Perle in Backnang haben Beteiligte und Beobachter in den sechs Monaten, die der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart nun schon dauert, oft gehört. Und dennoch hat das Plädoyer der Rechtsanwältin Jutta Heck, die für die Nebenklage einen Bruder des Mordopfers vertritt, die Zuhörer erschüttert. „Sie haben sich des schändlichen Mordes an der nur 1,60 Meter großen, zierlichen Frau W. schuldig gemacht. Den ominösen Dritten, dem Sie die Schuld zuschieben wollen, gibt es nicht“, sagte sie zu Dumitru A. und Constantin C. auf der Anklagebank. Die massiven Verletzungen des Opfers bezeichnete sie als „stumme Zeugen des barbarischen Handelns“.

Aus Sicht der Anwältin war die Tat bis ins Detail geplant – inklusive des Zeitpunkts, in dem sich die 53 Jahre alte Aie W. in die Damentoilette ihres Lokals begab, um sich für die Nacht fertig zu machen. „Da war die Frau, die Sie gehasst haben, und die das Geld hatte, das sie wollten“, sagte Heck zu Dumitru A., der ein Vierteljahr vor der Tat in der Asien-Perle einen Aushilfsjob gehabt hatte. Die Anwältin glaubt den Angeklagten nicht, dass sie nur knapp 300 Euro aus der Geldbörse des Opfers genommen haben. Der Verbleib von zehntausenden Euro ist ungeklärt. Heck beantragte lebenslange Haft für beide Angeklagte, die besondere Schwere der Tat sei festzustellen. „Auch der Ruf nach Sicherungsverwahrung wird laut“, sagte sie – und stellt damit eine härtere Strafe in den Raum, als dies der Staatsanwalt getan hatte.

Der Verteidiger von Dumitru A., der Rechtsanwalt Hanno Haupt, bezweifelt die Schuld seines Mandanten am Tod der Lokalchefin. Es habe keinen Plan gegeben, Aie W. zu verletzen oder gar zu töten. W. habe die beiden bei dem Einbruch überrascht – „ich denke, es war eine dynamische Entwicklung, die dann katastrophal geendet ist“, so Haupt. Für diese Version spreche, dass im Zimmer von W. zigtausende Euro zurückblieben, die nicht aufwendig versteckt gewesen seien.

Existiert doch ein bislang unbekannter dritter Täter?

Sein Mandant habe die Toilette verlassen und die gefesselte Aie W. mit seinem Komplizen C. allein gelassen. DNA-Spuren von A. seien nur am Klebeband, mit dem das Opfer gefesselt worden war, gefunden worden, nicht aber unter ihren Fingernägeln. Und in W.s Privatzimmer, welches A. dann nach Wertsachen durchsucht haben will, hätten sich im Gegensatz zum vorderen Bereich des Lokals keine blutigen Fußspuren oder Handschuhabdrücke gefunden. Er beantragte, A. wegen Raubs mit Todesfolge zu verurteilen und von einer lebenslangen Haftstrafe abzusehen.

Haupt brachte darüber hinaus wieder die mögliche Existenz eines dritten Täters ins Spiel. Die Grundlage der Theorie ist ein Einbruch unweit der Asien-Perle, einige Monate nach dem Mord. Spuren von dieser Straftat hatten zum Durchbruch im Fall Asien-Perle geführt – das Verfahren wegen des Einbruchs gegen A. und C. wurde jedoch eingestellt. „Auf Überwachungsvideos war ein kleiner, dicklicher Mann zu sehen, seine Statur passt zu keinem der beiden Angeklagten“, so Haupt. Dieser dritte Mann könne auch in der Asien-Perle dabeigewesen sein. Tatsächlich waren am Tatort geringe DNA-Spuren einer unbekannten Person gesichert worden, die Ermittler hatten diese jedoch als nicht tatrelevant eingestuft.

Der Angeklagte C. äußert sich erstmals persönlich

Auch Boris Müller, der Verteidiger von Constantin C., plädierte auf Raub mit Todesfolge. Der Tod von Aie W. sei auf ein Thoraxtrauma zurückzuführen – „vermutlich hat sie die tödlichen Verletzungen beim Fesseln erlitten“, so Müller. Ein Sachverständiger hatte die Verletzungen allerdings mit denen bei einem Hochgeschwindigkeitsunfall verglichen. Die Angeklagten, so der Anwalt, seien davon ausgegangen, dass W. noch lebte. „Warum hätten sie sie sonst fesseln sollen?“, fragte er rhetorisch.

Beide Angeklagten nutzten ihre Gelegenheit zu einem letzten Wort. „Ich schwöre bei allem, was mir lieb und teuer ist, dass ich Frau W. nicht getötet habe“, sagte Dumitru A. Auch Constantin C, der bislang nie selbst das Wort ergriffen hatte, äußerte sich: „Ich entschuldige mich bei der Familie, aber nicht wir haben ihre Mutter getötet“, beteuerte er. In der Asien-Perle seien zur Tatzeit „mindestens drei andere Leute“ gewesen. „Ich habe Vertrauen in die deutsche Justiz, früher oder später wird die Wahrheit zu Tage kommen“, schloss C.

Darum könnte der Prozess sich noch einmal in die Länge ziehen:

Die Verkündung des Urteils ist für Donnerstag, 1. Februar, vorgesehen – bislang. C.s Verteidiger Boris Müller hat einen Antrag gestellt, der den Prozess noch erheblich in die Länge ziehen könnte. Denn 1998 war Constantin C. in Rumänien wegen Vergewaltigung mit Todesfolge an seiner Patentante verurteilt worden. Er und sein Anwalt beteuern, dies sei zu Unrecht und nicht nach rechtsstaatlichen Maßstäben geschehen. Sollte dieses Urteil vom Landgericht Stuttgart als Grundlage für eine besondere Schwere der Schuld oder für eine Sicherungsverwahrung anerkannt werden, beantragte Müller, die Akten des kompletten rumänischen Prozesses übersetzen und verlesen zu lassen.