Auch ein Glas soll bei der Auseinandersetzung in der Kneipe geflogen sein. Foto: dpa/Britta Pedersen

Ein Prozess am Landgericht gibt Rätsel auf. Der Hauptangeklagte und das Opfer sind angeblich Freunde, aber beide offenkundig nicht immer gesetzestreu. Eine Mitangeklagte streitet ihre Beteiligung ab.

Wer hat an jenem Abend im September vor anderthalb Jahren in einer Kneipe in Fellbach zugeschlagen und dem Opfer Rippenprellungen und Kopfschmerzen zugefügt? Und ist dem Mann in diesem Zusammenhang mit dem Tode gedroht worden, wie es in der Anklageschrift steht? Die 18. Große Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Wolfgang Wünsch wird es nicht leicht haben, den Ablauf des Abends zu rekonstruieren, denn die beiden Angeklagten weisen die Vorwürfe von sich – und auch das Opfer scheint sich nicht unbedingt auf der gesetzeskonformen Seite bewegt zu haben.

Frau soll Glas geworfen haben

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart geht davon aus, dass der 45-jährige Hauptangeklagte in der Kneipe mutmaßliche Schulden von seinem Opfer hatte eintreiben wollen, ihn dazu bedrohte und dann mit Faustschlägen traktierte. Warum und wie genau ihn dabei die Mitangeklagte, eine ein Jahr jüngere Frau aus Fellbach, unterstützte, blieb auch in der Anklageschrift unklar. Die 44-Jährige soll aber dafür verantwortlich sein, dass zumindest ein Glas an dem Hinterkopf des Opfers landete.

Der Fall war vom Amtsgericht Waiblingen nach einem Prozess in einer anderen Angelegenheit an das Landgericht verwiesen worden. Die Verurteilung des Hauptangeklagten, der bereits mindestens zwei längere Haftstrafen hinter sich hat, soll mit dem aktuellen Fall zu einer Gesamtstrafe verrechnet werden. Weil die zu erwartende Höhe die Zuständigkeit des Amtsgerichts offenbar überschreitet, wird nun in der übergeordneten Instanz verhandelt.

Im Zeugenstand des Landgerichts räumte der Angeklagte ein, sein Gegenüber in der Kneipe geschubst und zur Begleichung alter Rechnungen aufgefordert zu haben. Dieser sei ihm schon seit längerem 3000 Euro schuldig gewesen – die unter dubiosen Umständen zusammengekommen sein sollen. So habe er dem Mann, den er als Freund bezeichnet, etwa in einer Bar in Stuttgart beigestanden, wo dieser bei Drogengeschäften in die Bredouille geraten sei. Es habe eine Schlägerei gegeben, bei der Mobiliar zu Bruch gegangen sei. Den Schaden habe er beglichen, damit die Drogengeschäfte des Freundes nicht publik wurden und weil dieser versichert habe, das Geld zurückzuzahlen.

Auch an jenem Abend in der Kneipe habe er den Kontakt zu dem späteren Opfer in einer Drogenangelegenheit hergestellt – „jemand“ habe gefragt, wo man jetzt noch etwas Kokain herbekommen könne. Seinen langjährigen Freund, der als Lieferant schließlich zu der Runde hinzugestoßen sei, habe hingegen nicht er geschlagen, sondern ihn vielmehr vor den Angriffen eines dritten Beteiligten geschützt und nach draußen begleitet. Von einem Glaswurf habe er, der über den Abend hinweg bereits mindestens zehn Weizenbiere in Kombination mit Amphetaminen konsumiert habe, gar nichts mitbekommen.

Mitangeklagte räumt Drogenbestellung ein

In einer Erklärung ihrer Anwältin räumte die Mitangeklagte später überraschend ein, dass sie diejenige gewesen sei, die nach dem Kokain gefragt habe. Man habe die Drogen schließlich bei dem Bekannten des Angeklagten bestellt und mit diesem und etwa sechs weiteren Personen in der mittlerweile abgesperrten Kneipe in gemütlicher Runde beisammen gesessen. Die Stimmung sei gut und friedlich gewesen, bis die Sprache auf die Altschulden gekommen sei. Die Schlägerei habe allerdings tatsächlich ein anderer Mann angezettelt, während der Angeklagte dazwischen gegangen sei, nachdem der Freund und Drogenlieferant ihn um Hilfe gerufen habe.