Das vor dem Landgericht Stuttgart angeklagte Paar, dem unter anderem ein versuchter Brandanschlag auf die Villa des Fleischfabrikanten Clemens Tönnies zur Last gelegt wird, soll den Kontakt zu ehemaligen Terroristen gesucht, aber nicht richtig gefunden haben.
Stuttgart - Im Prozess gegen ein Duo, dem linksextremistische Taten zur Last gelegt werden, hat sich am Dienstag vor dem Stuttgarter Landgericht ein ermittelnder Beamter zur Sache geäußert. Die Aussage des Kriminalhauptkommissars ergaben dabei so etwas wie ein Bewegungsprofil von Nicole G. und Martin E. (beide 39), die zwischenzeitlich in Stuttgart gewohnt haben und von hier aus zu ihren Taten geschritten – oder besser gesagt: gefahren sein sollen. Als Angestellte eines Eisenbahnunternehmens haben sie offenbar ihren Job dazu genutzt, um in den Jahren 2019 und 2020 eine Vielzahl von Drohbriefen aus unterschiedlichen deutschen Städten zu verschicken. Empfänger waren hochrangige Politiker, unter anderem Winfried Kretschmann und Horst Seehofer, sowie Vertreter aus Justiz, Wirtschaft oder Verkehrsbetrieben. Diese wurden dazu aufgefordert, angebliche Missstände in ihren Bereichen zu beseitigen. Um ihren Briefen Nachdruck zu verleihen, wurden diesen Platzpatronen, Messer oder Brandbeschleuniger beigelegt.
Mit dem Zug zu den Tatorten
Die Angeklagten sollen es aber nicht nur bei Drohungen belassen haben, die Staatsanwaltschaft wirft ihnen außerdem einen Brandanschlag auf die Agentur für Arbeit in Nürnberg sowie einen versuchten Brandanschlag auf die Villa des Fleischfabrikanten Clemens Tönnies im ostwestfälischen Kreis Gütersloh vor.
Bei der Auswertung der bei den Angeklagten sichergestellten Beweismittel stießen die Ermittler auch auf einen Schriftverkehr von Martin E. mit Karl-Heinz Dellwo. Dellwo gehörte 1975 zu den RAF-Terroristen, die an der Geiselnahme und den beiden Morden in der Deutschen Botschaft in Stockholm beteiligt waren. 1995 wurde der zu lebenslanger Haft verurteilte Dellwo entlassen. Den Aussagen des Kriminalbeamten zufolge wollte sich Martin E. so etwas wie die Legitimation von prominenter Stelle für die Pläne einholen. Davon soll Dellwo aber dringend abgeraten haben – auch mit dem Hinweis, dass diese Zeiten vorbei seien. Ähnlich reserviert reagierte offenbar auch Oliver Rast auf die Annäherungsversuche des angeklagten Paares. Das ehemalige Mitglied der linksradikalen Untergrundorganisation „Militante Gruppe“ lehnte offenbar ein vorgeschlagenes Treffen ab. Ohne die erhoffte Unterstützung wurde das Paar nach den Anschlägen von der Polizei observiert und schließlich festgenommen.