Weil sie einen Mann beim Public Viewing verprügelt haben sollen, müssen sich zwei junge Männer seit Freitag vor dem Landgericht verantworten. Einer der Angeklagten bestreitet, dass bei dem Angriff auch Messer im Spiel waren.
Ein 17- und ein 20-Jähriger müssen sich seit Freitag wegen versuchten Totschlags am Landgericht in Stuttgart verantworten. Laut der Staatsanwaltschaft sollen sie einen 35 Jahre alten Fußballfan im Juli bei einem Public-Viewing während der Fußball-Europameisterschaft auf dem Schlossplatz in Kirchheim zunächst beleidigt und dann auch tätlich angegriffen haben. Dabei soll auch ein Messer eingesetzt worden sein. Ein Stich habe das Opfer zwar verfehlt. Dennoch hätten die Angeklagten den Tod ihres Opfers in Kauf genommen, ist die Staatsanwältin überzeugt.
Zudem wird dem jüngeren der beiden die Beteiligung an einem Raubüberfall auf einen Lebensmittelladen in Wendlingen Anfang Juni vorgeworfen. Der ältere Angeklagte schwieg zum Prozessauftakt zu den Vorwürfen, der 17-Jährige hingegen bestritt den Einsatz eines Messers sowie die Beteiligung am Raubüberfall.
Mutmaßlicher Täter schlüpft in die Opferrolle
„Ich habe mir nur das Spiel angeschaut“, behauptete der Jugendliche, der vor seiner Verhaftung in Wendlingen wohnte. Er habe auf dem Schlossplatz einen Döner gegessen. Dann habe er gesehen, wie der 35-Jährige einen seiner Freunde am Hals gepackt habe. „Ich habe dann meinen Döner auf ihn geworfen“, so der 17-Jährige. Dann seien schon die privaten Sicherheitskräfte gekommen und er habe versucht wegzurennen. Der 35-Jährige habe ihn aber festgehalten. „Das hat weh getan“, sagt der Angeklagte. Dass der 35-Jährige von dem Angeklagten und seinen Freunden beleidigt worden sei, stimme nicht. Es habe auch niemand ein Messer dabei gehabt, so der 17-Jährige. Zeugen, die Messer gesehen hätten, müssten sich irren. Vielleicht hätten sie die silberne Alufolie des Döners für ein Messer gehalten, mutmaßte der Angeklagte.
Laut dem 35-Jährigen spielte sich das Geschehen so ab: Während des Spiels habe er nahe einer Gruppe von Jugendlichen an einen Baum gepinkelt. Dann sei er aus der Gruppe heraus beleidigt worden, woraufhin er die Jugendlichen zur Rede stellen wollte. Er sei aber sofort mit Schlägen traktiert worden. Einer der Angreifer habe mit einem Messer in seine Richtung gestochen, ihn aber verfehlt. Ein anderer Beteiligter habe ihm mit einem Messer gedroht, ohne auf ein einzustechen. „Sie haben mich ohne Grund attackiert“, so der 35-Jährige. Bis heute leide er psychisch unter den Folgen des Angriffs.
Mit dem Überfall auf ein Lebensmittelgeschäft, in welchem sein Bruder gearbeitet habe, habe er nichts zu tun, so 17-Jährige. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Teil einer Gruppe gewesen zu sein, die den Markt nahe des Wendlinger Bahnhofs überfallen hat. Der Haupttäter, der in einem anderen Verfahren angeklagt ist, soll die Angestellten mit einer Pistole bedroht haben.
Richter: „Wir sind auch nicht ganz blöd.“
Er sei zum Zeitpunkt des Überfalls am Wendlinger Bahnhof gewesen, erklärte der Angeklagte. Dann habe er einen Bekannten zum Bus rennen sehen. Dass dieser „ein Ding machen“ wollte, habe er gewusst. Er habe dann schon vermutet, dass sein Bekannter das Geschäft überfallen habe.
Dass er gewisse Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Angeklagten hat, ließ der Richter Matthias Beck durchblicken. „Wir hören uns zwar vieles an, wir müssen aber nicht alles glauben“, sagte er zu den Ausführungen des Angeklagten. „Wir sind auch nicht ganz blöd.“ Die Verhandlung mit acht Zeugen wird fortgesetzt.