Navi- und Lenkraddiebe richten mit ihrer brachialen Gewalt doppelten Schaden an. Foto: dpa/Andrea Löbbecke

Vor dem Landgericht Stuttgart müssen sich zwei Männer wegen schweren Bandendiebstahls verantworten. Sie sollen auf Rangierbahnhöfen in ganz Deutschland hochwertiges Autozubehör wie Navis und Lenkräder gestohlen haben.

Stuttgart/Kornwestheim - Es könnte ein langwieriger Prozess werden, doch der Auftakt dauerte nicht viel länger als eine halbe Stunde. So lange benötigte die Erste Staatsanwältin Claudia Schulte ungefähr, um die 31 Taten umfassende Anklage vorzulesen, in denen den beiden Angeklagten schwerer Bandendiebstahl vorgeworfen wird. Sie sollen zwischen Januar 2018 und Dezember 2020 bundesweit auf Rangierbahnhöfen Navigationsgeräte, Multifunktionslenkräder und Multimediageräte aus hochwertigen Autos ausgebaut haben, die dort auf Autozügen standen.

Gesamtschaden beläuft sich auf 700 000 Euro

Laut Anklage haben die 52 und 40 Jahre alten Männer wechselnde Mittäter gehabt. Das Diebesgut im Gesamtwert von rund einer halben Million Euro sollen weitere Mittäter ins Ausland verkauft haben. Die einzelnen Geräte seien zwischen 1500 und 2800 Euro wert gewesen. Der Gesamtschaden habe sich auf knapp 700 000 Euro belaufen. „Häufig war der Schaden an den Autos größer als der Wert des Diebesgutes, da beim Ausbau Kabel durchtrennt und Abdeckungen aufgebrochen wurden“, sagte die Erste Staatsanwältin.

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Die erste Tat hat sich laut Anklage im Januar 2018 auf dem Rangierbahnhof in Kornwestheim abgespielt. Hier soll der 52-Jährige, der insgesamt wegen 24 Fällen von schwerem Bandendiebstahl angeklagt ist, aus sechs Volkswagen die Navis ausgebaut und einen Schaden von rund 27 100 Euro verursacht haben. In der Folge sei Kornwestheim noch weitere vier Mal Tatort gewesen: Im April 2019 soll der Mann dort drei Multifunktionslenkräder aus Autos der Marke Mercedes im Gesamtwert von rund 7900 Euro entwendet haben. Der größte Diebeszug soll im Juli 2020 dort stattgefunden haben: Damals wurden laut Anklage sieben Multifunktionslenkräder und 32 Airbags aus insgesamt 39 Mercedes-Fahrzeugen ausgebaut. Allein hier habe der Wert des Diebesgutes rund 45 000 Euro betragen, der verursachte Schaden an den Fahrzeugen beläuft sich laut Anklage auf mehr als 60 000 Euro.

Nur einmal wurden die Diebe entdeckt

Im Oktober 2020 sollen die beiden Angeklagten ein viertes Mal ihr Glück in Kornwestheim versucht haben. Dies war der einzige Diebeszug, bei dem die beiden von Mitarbeitern der DB Sicherheit entdeckt worden waren und unverrichteter Dinge fliehen mussten.

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Fünf Mal war laut Anklage auch der Bahnhof in Sindelfingen Ort von Diebeszügen: Dort hätten die Täter sich an 28 Mercedes-Fahrzeugen zu schaffen gemacht und aus diesen Multifunktionslenkräder ausgebaut. Bei diesen fünf Taten soll sich der Gesamtschaden auf etwa 95 000 Euro summieren.

Bevorzugtes Objekt der Angeklagten war laut Anklage offenbar der Rangierbahnhof in Bremen-Walle: 14 der insgesamt 31 Diebeszüge hätten dort stattgefunden. Weiterhin sollen die Männer mit unterschiedlichen Mittätern je zweimal auf Bahnhöfen in Wanne-Eickel, Osnabrück, Emden und dem niedersächsischen Seelze zugeschlagen haben.

Die Angeklagten sind seit Februar in Haft

Die beiden Angeklagten, die seit Februar dieses Jahres in Haft sitzen, wollten am ersten Prozesstag weder zu ihren Lebensläufen noch zu den Tatvorwürfen Stellung beziehen. Der Vorsitzende Richter Ulrich Tormählen regte an, dass sich Richter, Staatsanwältin und die beiden Verteidiger am zweiten Prozesstag zusammensetzen, um die Möglichkeit von Verständigungsgesprächen auszuloten. Dabei werden für den Fall von zumindest teilweisen Geständnissen bestimmte Strafober- und Strafuntergrenzen vereinbart.

Der Prozess wird am 22. November fortgesetzt, insgesamt sind neun Verhandlungstage bis zum 28. Januar 2022 geplant. Dann soll das Urteil verkündet werden.