Ein äußerst komplexer Fall für Justitia Foto: dpa

Ein 45-jähriger Mann aus Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) muss sich derzeit vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, einem Dienstleister von Pharmakonzernen ein Bestechungspaket angeboten zu haben.

Stuttgart/Esslingen - Bürgerlich, fast schon bieder wirkt er, der Buchhalter auf der Anklagebank, der für ein großes Pharmazieunternehmen im Controlling und Einkauf arbeitet. Warum befindet sich so einer am Montag vor dem Landgericht Stuttgart?

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der 45-jährige Mann aus Ditzingen seine berufliche Stellung genutzt, um einer IT-Dienstleistungsfirma Aufträge mit einem Jahresvolumen von einer bis eineinhalb Millionen Euro anzubieten, wenn ihn der Dienstleister mit fünf bis zehn Prozent an den Umsätzen beteilige. Schlecht für den Angeklagten, dass während des Verhandlungsgesprächs in Ostfildern im März 2014 eine Videokamera mitlief, die das Gespräch aufzeichnete. Ob das Band als Beweismittel verwendet werden darf, ist noch nicht geklärt. Der Verteidiger des Angeklagten will das Video jedenfalls unbedingt unter Verschluss halten – obwohl sein Mandant den Bestechungsversuch, der von der Staatsanwaltschaft als besonders schwer gewichtet wird, komplett abgestritten hat.

Auch die Herkunft eines internen Dokuments des Pharmakonzerns, das den Angeklagten entlasten sollte, wollte dieser unter keinen Umständen verraten. Da ihm der Arbeitgeber gekündigt hatte, nachdem die IT-Firma den Vorgesetzten des Controllers das Video zugespielt hatte, hätte er auf Firmeninterna eigentlich keinen Zugriff mehr haben dürfen. Das machte ihn in Augen der Staatsanwaltschaft verdächtig.

Die Version des mutmaßlichen Täters geht so: Er habe zwar in der Vergangenheit Vermittlungsprovisionen des IT-Dienstleisters eingestrichen – allerdings völlig legal, da er vor seiner Anstellung bei dem Pharmakonzern selbstständig arbeitete. Auch Geld aus alten Abschlüssen habe er noch bezogen – worüber sein neuer Arbeitgeber aber informiert gewesen sei. Dieser zitierte den Angeklagten in Firmenräumlichkeiten in Bad Cannstatt und kündigte ihm fristlos. Den Prozess beim Arbeitsgericht, bei dem der Angeklagte gegen seine Kündigung klagte, hat er verloren. Ob er seinen neuen Job behalten darf, wird wohl vom Urteil abhängen.

Es ist ein vertracktes Netzwerk aus Firmen, durch das sich das Stuttgarter Landgericht bei der Wahrheitsfindung wühlen muss. Das Fachchinesisch der IT-Branche macht es nicht einfacher. Wortungeheuer wie „indirekte Wartungsleistung“ tauchen auf – was bedeutet, dass der Angeklagte jemanden bestellt, der kommt, wenn ein Problem mit dem Computer auftritt. Seine Aufgabe sei gewesen, den Preis möglichst niedrig zu halten. Womöglich wird er jetzt einen hohen bezahlen müssen.