Die Insassen hatten sich selbst aus dem verunglückten Auto retten können. Foto: 7aktuell/Archiv

Das Heilbronner Landgericht verhandelt ein Beziehungsdrama, bei dem ein 18-Jähriger bei einer Fahrt im August 2015 das Auto in die Murr gesteuert hat – offenbar mit voller Absicht.

Steinheim - Ein junger Mann wird von seiner Freundin zurückgewiesen und hofft bei einer Aussprache auf einen Neuanfang. Doch die Freundin erklärt das endgültige Aus. Da fasst der 18-Jährige den Entschluss, sich selbst und die Exfreundin zu töten, indem er sein Fahrzeug von der Straße in die Murr lenkt: So sieht die Anklage einen Vorfall vom 22. August des vergangenen Jahres in Steinheim.

Wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung muss sich der 18-Jährige seit Mittwoch vor dem Landgericht Heilbronn verantworten. „Sie wollten sich und einen anderen Menschen töten, ohne ein Mörder zu sein“, wurde in der Anklage zum Prozessauftakt vor der Jugendstrafkammer verlesen. Ihm droht eine Gefängnisstrafe nicht unter fünf Jahren. Das Beziehungsdrama aus Sicht der Anklage: der junge Mann habe am Tag vor der Tat eine Aussprache mit der damals 19-jährigen Freundin gewollt. Er selbst habe auf einen Neuanfang der Beziehung gehofft, die junge Frau jedoch erklärt, dass sie keinen Kontakt mehr wolle.

Fahrer lenkt Auto absichtlich in den Fluss

Am Tag darauf sah der Angeklagte den Ermittlungen zufolge seine Exfreundin mit einem Bekannten in ihrem Auto sitzen. Er forderte sie auf, zu einer Unterredung in seinen Wagen zu steigen. Aus Gutmütigkeit willigte die Frau ein. Noch bevor sie sich anschnallen konnte, verriegelte er die Autotüren und fuhr mit hoher Geschwindigkeit in Richtung der Schweißbrücke. Während der Fahrt kündigte er wohl an, nicht nur sich, sondern auch sie umzubringen.

Die junge Frau hämmerte, so die Anklage, gegen die Scheiben, doch der Fahrer blieb unbeeindruckt und lenkte sein Auto absichtlich nach rechts über einen Radweg. Als das Fahrzeug eine Böschung erreichte, hatte es noch eine Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometern auf dem Tacho, wie später ermittelt wurde. Das Fahrzeug landete in der Murr und blieb dort auf dem Dach liegen. Beiden Insassen gelang es, sich aus dem Auto zu befreien. Die Beifahrerin erlitt schwere Verletzungen.

Nach der Verlesung der Anklageschrift erklärte der Verteidiger, sein Mandant werde sich erst später zur Sache äußern und an diesem ersten Verhandlungstag nur Fragen zu seiner Person und seinem Werdegang beantworten. Der junge Mann, der sich als gläubiger Muslim bezeichnet, besuchte demnach nach der Hauptschule eine Berufsfachschule, um die mittlere Reife zu erlangen. „Im ersten Jahr lief noch alles gut“, sagte der Angeklagte und gab zu: „Als ich dann im Januar ein Auto bekam, habe ich nur noch daran rumgeschraubt.“ Den Wagen, der nicht das Tatfahrzeug war, habe ihm sein Vater zum bestandenen Führerschein geschenkt. Der Gebrauchtwagen und dessen Restaurierung wurden fortan zu seinem Hobby. Die Berufsschule verließ er regulär mit einem Abgangszeugnis.

Zehn Verhandlungstage, 20 Zeugen

Das Verhältnis zu seinen Eltern bezeichnete der Angeklagte als perfekt: „Wir können gut miteinander kommunizieren.“ Der Vater wolle, dass er und die beiden jüngeren Brüder einen guten Job machten. Einerseits wolle er Karosseriemechaniker werden, andererseits gefalle ihm der Kundenkontakt seines Onkels, einem Friseur in Hamburg, antwortet der Angeklagte auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Eva Bezold nach seiner Zukunft.

Der Prozess mit zehn Verhandlungstagen, an denen mehr als 20 Zeugen und drei Sachverständige gehört werden sollen, ist bis Ende April terminiert. Aus den anfangs zwei Verteidigern des Angeklagten wurde derweil nur noch einer, weil dieser eine Pflichtverteidigerin ablehnte.

Am Mittwoch, 9. März, wird sich das Gericht das Geschehen der folgenreichen Autofahrt des 22. August aus Sicht der ehemaligen Freundin berichten lassen.