Laut den Ermittlern betreibt eine Bande deutschlandweit den gewerbsmäßigen Trickbetrug mit falschen Polizisten.Foto:dpa Foto:  

Trickbetrüger haben eine 88 Jahre alte Sindelfingerin um die Münzsammlung ihres verstorbenen Mannes gebracht. Ein falscher Polizist und sein Komplize standen nun vor dem Amtsgericht Böblingen, weil die Rentnerin sich wehrte.

Böblingen - Die rüstige Rentnerin wirkt unerschrocken. Sie bringt die Zuhörer des Prozesses am Böblinger Amtsgericht sogar zum Lachen. Dass sie als Zeugin keine Falschaussage machen dürfe, belehrt sie der Richter Werner Kömpf. Die 88-Jährige erklärt schlagfertig: „Nein, natürlich nicht. Dann muss ich auch rein.“ Das Opfer von Trickbetrügern meint damit die Haftanstalt. Einer der beiden Angeklagten, ein 24 Jahre alter Arbeitsloser aus dem Raum Hannover, hat ihr am 17. September vorigen Jahres die Münzsammlung ihres verstorbenen Gatten geraubt. Er und sein 22 Jahre alter Komplize wurden zwei Tage später festgenommen und sitzen seitdem in Haft. Dort werden sie bleiben: Den 24-Jährigen verurteilte Kömpf zu zweieinhalb Jahren Gefängnis, den 22-Jährigen zu einem Jahr und vier Monaten.

Ein Oberstaatsanwalt namens Krause

Das Urteil im Gerichtssaal bekam die Seniorin nicht mehr mit: Sie ging lieber nach Hause. Zuvor hatte sie eindrücklich geschildert, wie die Betrüger ihr glaubhaft machen konnten, dass ihre Wertgegenstände in Gefahr seien. „Bei mir meldete sich ein Oberstaatsanwalt namens Krause und sagte, man habe bei mir in der Nähe Einbrecher festgenommen. Es sei ein Hinweis mit meiner Adresse gefunden worden“, erklärte die 88-Jährige dem Richter. Dieser habe wohl darauf hingedeutet, dass es die Einbrecher auch auf sie abgesehen hätten.

Sie sei erleichtert gewesen, als sie erfuhr, dass man ihr helfen wolle und jemand bei ihr vorbeikomme. Der vermeintliche Wohltäter stand dann als Polizist vor ihrer Tür. Es war der 24-Jährige, den seine Hintermänner damit beauftragt hatten, sich bei der alten Dame nach ihrem Hab und Gut zu erkundigen. Die 88-Jährige schöpfte auch keinen Verdacht, als sie der Aufforderung folgte, die wertvollen Münzen in einen Koffer zu packen, in die Würmstraße in Sindelfingen zu fahren und diesen Koffer dem Polizisten unweit des Goldbachsees auszuhändigen. Von dort konnte sich der Täter ungesehen aus dem Staub machen. Als sie nach Hause gekommen sei, habe sie ihr Nachbar angesprochen, der beobachtet hatte, wie sie mit einem Koffer weggegangen war. Der Nachbar alarmierte die Polizei.

Statt Goldbarren waren Bücher in der Tasche

Da wurde der 88-Jährigen schlagartig klar, dass sie getäuscht worden war: „Ich hätte nie gedacht, dass mir einmal so etwas passiert.“ Die Betrüger hatten aber noch nicht genug. Sie riefen tags darauf abermals bei der Frau an, die nun den Lockvogel spielte. Inzwischen hatte sie Unterstützung von der Polizei bekommen, die sich in ihrem Haus aufhielt und draußen das Gebäude observierte. Die 88-Jährige erklärte „dem Mann am Telefon, der ausgesprochen gut hochdeutsch sprach“, dass sie in einem Safe bei der Deutschen Bank in Böblingen vier Kilogramm Goldbarren gelagert habe. Sie sei bereit, sie zu holen. In dem Geldinstitut wurde die Seniorin schon erwartet. In die Tasche kamen Bücher. Die 88-Jährige stellte diese wie befohlen vor ihre Haustür und wartete darauf, dass sie abgeholt wird.

Mit den Tätern kommunzierte sie den ganzen Tag per Handy und über das Festnetztelefon. „Ich hatte keine Angst mehr, bei mir waren ja die echten Polizisten“, berichtete die 88-Jährige.

Wo die Münzen jetzt sind, ist unklar

Der 24 Jahre alte falsche Polizist war unterdessen wieder in Hannover, wo er den Koffer mitsamt Inhalt wohl seinen Auftragebern aushändigte. „Ich selbst bekam nur hundert Euro“, erklärte der Angeklagte. Er heuerte dann den 22-Jährigen als Fahrer an, der mit ihm in einem Mietwagen wieder nach Sindelfingen fuhr. „Als die Tasche um 18 Uhr noch nicht abgeholt worden war, sagte ich dem Mann am Telefon, dass ich die Polizei in Böblingen darum bitten werde“, erläuterte die Rentnerin. Als der 24-Jährige die vermeintliche Beute entgegennahm, griff das Einsatzkommando zu.

Der ebenfalls arbeitslose 22 Jahre Komplize hatte Schmiere gestanden, bekam aus der Entfernung die Festnahme mit. Er wollte flüchten, fuhr jedoch in eine Sackgasse, wo ihn die Polizei stellte. Wie der 24-Jährige ist auch er ohne Führerschein. Der Richter Kömpf entzog ihm die Fahrerlaubnis für weitere eineinhalb Jahre. Der falsche Beamte muss zudem rund 2800 Euro zahlen für den Wert der Münzen, der ermittelt wurde. Laut Richter Kömpf dürfte er höher liegen. Jedoch kaum so hoch, wie die gewitzte Seniorin bei der Polizei zu Protokoll gab: Eine halbe Million Euro.

Täter agieren von einem Callcenter aus

Für Kömpf ist das bereits der sechste Fall mit dieser Betrugsmasche. Sie sei besonders perfide, „weil es die Täter auf alte Menschen abgesehen haben“. Bewährungsstrafen, wie von den Verteidigern gefordert, lehnte er ab. „Wir müssen ein Zeichen setzen“, sagte der Richter, der das Strafmaß jedoch niedriger ansetzte als der Staatsanwalt. Dieser bezeichnete diesen Trickbetrug, „der in großem Stil stattfindet“, als „besonders schäbig“. Vor allem, weil das Vertrauen in die Polizei missbraucht werde. Die Täter agierten von einem Callcenter aus: „Bevor sie auf die 88-Jährige kamen, gab es mindestens hundert Anrufe bei anderen möglichen Opfern.“