Myanmar erlebt den blutigsten Tag seit dem Militärputsch vom 1. Februar. Der Chef der Junta gibt an, die Demokratie schützen zu wollen. Kritik des Westens perlt ab, denn dem Militär stehen noch „wahre Freunde“ zur Seite.
Yangon - In Myanmar sind bei landesweiten Demonstrationen gegen das Militär mehr als 114 Menschen getötet worden. Das berichtete die Zeitung „Myanmar Now“ am Samstag unter Berufung auf Zahlen aus 44 Städten. Dagegen sprach die Zeitung „The Irrawaddy“ von 59 Toten, unter ihnen drei Kinder im Alter von 7, 10 und 13 Jahren. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist es der „blutigste Tag“ seit dem Putsch Anfang Februar. „Die Gewalt ist völlig inakzeptabel und muss sofort aufhören“, hieß es in einer Mitteilung.
Am offiziellen Gedenktag der Armee, kam es in weiten Teilen des Landes, wie in der Handelsmetropole Yangon, in der nördlichen Region Mandalay und im südlichen Bago zu Protesten gegen die Machtübernahme. Dabei sollen Militärangehörige und Polizisten mit scharfer Munition und gezielten Kopfschüssen gegen unbewaffnete Zivilisten vorgegangen sein.
EU zeigt sich geschockt
Diplomatische Vertreter reagierten mit Entsetzen. Die Europäische Union sprach in den sozialen Medien von einem Tag des „Terrors und der Ehrlosigkeit“. Das Töten unbewaffneter Zivilisten und Kinder sei unentschuldbar. Auch der US-Botschafter verurteilte das Vorgehen des Militärs: „Das Blutvergießen ist grauenvoll“, schrieb Thomas Vajda auf Twitter. Das Militär Myanmars habe Schande über sich gebracht, indem es auf „unbewaffnete Zivilisten“ geschossen habe, schrieb der britische Botschafter Dan Chugg auf Twitter. „Die heutigen Tötungen unbewaffneter Zivilisten, darunter Kinder, bedeuten einen neuen Tiefpunkt“, twitterte der britische Außenminister Dominic Raab.
An der Parade nahm auch der russische Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin laut Staatsagentur Tass teil. Demnach wollen Russland und Myanmar ihre Beziehungen verstärken. Beide Staaten wollten eine militärische und militär-technische Zusammenarbeit ausbauen, so Tass. Fomin nannte Myanmar demnach einen „zuverlässigen Verbündeten und strategischen Partner in Südostasien und pazifischen Raum“. Myanmars Oberbefehlshaber, Min Aung Hlaing, sagte laut der britischen BBC, dass Russland ein „wahrer Freund“ sei.
Über 3000 Menschen festgenommen
Russische Medien berichteten, dass neben Russland auch Länder wie China, Indien, Pakistan, Vietnam und Thailand Vertreter entsandt hätten. Die Einladung Russlands sei eine Reaktion auf die Teilnahme Myanmars an der Militärparade in Russland im vergangenen Sommer gewesen. Russland ist den Berichten zufolge nach China der zweitgrößte Waffenlieferant Myanmars. Die USA, die Europäische Union und Großbritannien hatten nach dem Militärputsch vom 1. Februar Sanktionen verhängt.
Unter den Opfern in Yangon soll ein 21-jähriger Zivilist namens Chit Bo Nyein sein. Nyein habe in dem Teeladen seiner Familie ausgeholfen, als er erschossen worden sei, sagte ein Familienangehöriger der Deutschen Presse-Agentur. Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden bislang knapp 3070 Menschen festgenommen. Mindestens 328 wurden laut AAPP getötet.
Regierungschefin unter Hausarrest
Das Militär hatte Anfang Februar gegen die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi geputscht. Die 75-Jährige sitzt seither im Hausarrest und wird von der Justiz verschiedener Vergehen beschuldigt. Die Demonstranten fordern eine Wiedereinsetzung von Suu Kyis ziviler Regierung.
In einer Ansprache in der Hauptstadt Naypidaw verteidigte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Min Aung Hlaing, die Machtübernahme durch das Militär als „unvermeidlich“, weil die Regierung von Suu Kyi und ihre Partei in „ungesetzliche Handlungen“ verwickelt gewesen seien. Er gab an, die Demokratie schützen zu wollen, und versprach erneut, Wahlen abzuhalten, ohne aber ein Datum zu nennen.