So viele Menschen wie nun waren seit dem Putsch in Myanmar noch nicht auf der Straße. Die Toten vom Wochenende haben die Proteste neu befeuert. Die EU plant Sanktionen – und auch Facebook sperrt Seiten der Generäle.
Naypyidaw - Zehntausende Menschen haben am Montag in Myanmar trotz drohender Gewalt durch die Sicherheitskräfte erneut gegen die Militärjunta protestiert. Berichten zufolge soll es sich um die größten Kundgebungen seit dem Militärputsch Anfang Februar gehandelt haben. Auf Fotos in sozialen Netzwerken waren unter anderem in der früheren Hauptstadt Rangun und der Großstadt Mandalay im Norden gigantische Menschenansammlungen zu sehen. In der Hauptstadt Naypyidaw seien mehr als ein Dutzend Teilnehmer festgenommen worden, berichtete das Nachrichtenportal „Myanmar Now“.
Die Demonstrationen fanden in allen Teilen des südostasiatischen Landes im Rahmen eines Generalstreiks statt, nachdem die Polizei am Wochenende zwei Menschen erschossen hatte. Insgesamt ist die Zahl der Todesopfer damit auf drei gestiegen. Eine Studentin, die die Einsatzkräfte am 9. Februar mit einem Kopfschuss niedergestreckt hatten, war vergangene Woche gestorben.
Sanktionen der EU drohen
Der Militärführung drohen nun Sanktionen der Europäischen Union. Man werde alle noch vorhandenen diplomatischen Kanäle nutzen, um auf eine Deeskalation hinzuwirken, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas am Montag am Rande von Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel. Gleichzeitig werde man aber für den Fall, dass dies nicht gelinge, Sanktionen gegen die Junta vorbereiten. Insbesondere der Umgang mit Demonstranten sei „außerordentlich besorgniserregend“, sagte der SPD-Politiker. Man verurteile nach wie vor auch den Putsch und sei nicht gewillt, sich die Entwicklungen weiter tatenlos anzuschauen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Abend, die EU-Sanktionen sollten die verantwortlichen Militärs und ihre wirtschaftlichen Interessen treffen. Ab sofort werde zudem die EU-Unterstützung für staatliche Reformprogramme in Myanmar gestoppt. Zugleich versprach die Europäische Union, auch weiterhin humanitäre Hilfe zu leisten. Die nun vorbereiteten Sanktionen sollen demnach so angelegt werden, dass sie der Bevölkerung des Landes nicht schaden.
Einsatzkräfte schossen auf Demonstranten
Die Generäle hatten sich in der Nacht zum 1. Februar zurück an die Macht geputscht und die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi sowie viele Mitglieder ihrer Regierung in Gewahrsam genommen. Seither wurden zahlreiche weitere Politiker, Aktivisten und Demonstranten festgenommen. Die Militärpräsenz wurde nach dem Beginn der Demonstrationen vor knapp drei Wochen massiv verstärkt. Einsatzkräfte schossen auch mit scharfer Munition auf Demonstranten.
Nachdem Facebook im Zuge der Militärgewalt am Wochenende bereits eine Internet-Seite der Armee aus dem Online-Netzwerk entfernt hatte, soll die Plattform am Montag auch die Seite des staatlichen Fernsehens MRTV gesperrt haben. Dies berichteten unter anderem die sogenannte Bewegung des zivilen Ungehorsams in Myanmar und zahlreiche weitere User.
Viele Berufssparten bei Protesten vertreten
An den Protesten nahmen Beamte, Fabrikarbeiter, Ärzte, Lehrer, Bankangestellte und viele andere Berufssparten teil. Sie betonten, sie würden nicht unter einer Militärdiktatur arbeiten und forderten die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung von Suu Kyi. Der massive Generalstreik fand unter dem Titel „22222“ statt, in Anlehnung an das Datum 22.02.2021. „Wenn wir Widerstand gegen die Diktatur leisten, könnten sie uns erschießen. Das wissen alle. Aber wir müssen uns der Diktatur widersetzen, es ist unsere Pflicht“, zitierte das Portal „Frontier Myanmar“ einen Aktivisten.
„Gewöhnliche Menschen in Myanmar beteiligen sich an einem außergewöhnlichen Akt, um ihren Widerstand gegen den brutalen Militärputsch trotz Morden, Gewalt und Einschüchterungen durch Sicherheitskräfte zu demonstrieren“, schrieb die Aktivistengruppe „Gerechtigkeit für Myanmar“ auf Twitter.