Heftiger Zusammenstoß zwischen Polizei und Demonstranten: In Hongkong setzen die Ordnungskräfte Tränengas ein. Foto: dpa

Es ist der schwerste Zusammenstoß mit der Polizei seit Beginn der "Regenschirm-Revolution": Bei der Räumung eines besetzten Tunnels kommt es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. 45 Menschen werden festgenommen.

Hongkong - Die schwersten Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten seit Beginn der Proteste in Hongkong vor mehr als zwei Wochen haben neue Spannungen geschürt.

Eine auf Video aufgenommene Prügelattacke von Polizisten gegen einen wehrlosen Demonstranten löste zusätzlich Empörung in der chinesischen Sonderverwaltungsregion aus. Tausende demonstrierten am Abend gegen Polizeibrutalität. Ein Ende der bislang schwersten Krise in Hongkong seit der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China ist nicht in Sicht.

45 Menschen werden festgenommen

Zu den Auseinandersetzungen kam es in der Nacht, als Hunderte Polizisten den am Vorabend überraschend von Aktivisten besetzten Tunnel der Lung Wo Straße nahe des Regierungssitzes räumten. Es gab chaotische Szenen. Polizisten rangen Demonstranten zu Boden, um sie zu fesseln und abzutransportieren. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. 45 Menschen wurden festgenommen, vier Beamte und eine unbekannte Zahl von Demonstranten erlitt Verletzungen.

Nach dem Einsatz schlugen Vorwürfe wegen Polizeibrutalität große Wellen. Auslöser war ein Video im Fernsehsender TVB, das zeigt, wie Polizeibeamte einen gefesselten Mann in eine dunkle Ecke tragen, auf den Boden legen und immer wieder mit Fußtritten traktieren. Das Opfer wurde später als Ken Tsang, Mitglied der oppositionellen, prodemokratischen Bürgerpartei, identifiziert. Er erlitt Prellungen und Abschürfungen am Körper und im Gesicht.

Bei dem Protestmarsch am Abend kündigte Tsang an, die Polizisten verklagen zu wollen. Er berichtete, auch noch auf der Polizeistation misshandelt worden zu sein. Sicherheitschef Lai Tung-kwok berichtete, die beteiligten Beamten seien "vorübergehend vom Dienst suspendiert" worden. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Die Polizei zeigte sich "besorgt" über das Video mit den Beamten, "die verdächtigt werden, heute Morgen übermäßige Gewalt eingesetzt zu haben".

Die Proteste hatten sich vor mehr als zwei Wochen an Beschlüssen Pekings entzündet, 2017 zwar erstmals eine direkte Wahl in Hongkong zu erlauben, den Wählern aber eine freie Nominierung der Kandidaten zu verweigern. Seit der Rückgabe an China wird die frühere Kronkolonie unter chinesischer Souveränität als eigenes Territorium weitgehend autonom regiert.

Führung in Peking bleibt hart

Die Regierung hatte vergangene Woche geplante Gespräche mit den Demonstranten kurzfristig abgesagt. Nach der jüngsten Eskalation stellte aber erstmals ein hohes Regierungsmitglied in Aussicht, "innerhalb von Tagen" an den Verhandlungstisch zurückkehren zu wollen. Der Sekretär für Verfassungs- und Festlandangelegenheiten, Raymond Tam, sagte dem Radiosender RTHK, es gebe Bemühungen in diese Richtung über einen "respektierten Mittelsmann".

Die Führung in Peking zeigte sich aber hart. Die Proteste seien "zum Scheitern verurteilt", kommentierte das Parteiorgan "Volkszeitung" und verteidigte das Vorgehen der Polizei in Hongkong. "Fakten und Geschichte lehren uns, dass radikale und illegale Aktionen, die ihren Weg nehmen konnten, nur in noch schwerwiegenderen gesetzwidrigen Handlungen enden, die Chaos und Unruhen verschärfen", schrieb das Parteiblatt. "Stabilität ist ein Segen, Aufruhr bringt Chaos."

Die Besetzung des Lung Wo-Tunnels am Vorabend ging nach Angaben von Studentenführern nicht auf die Studentenvereinigung oder die "Scholarism" genannte Gruppe der Oberschüler zurück, die als treibende Kräfte hinter den Protesten stehen. Vielmehr hätten einige Demonstranten offenbar auf eigene Faust gehandelt, hieß es.

Nach der Räumung berichtete die Polizei, ein Beamter sei durch die Spitze eines Regenschirms verletzt worden. Wegen ihrer Schirme, die Demonstranten gegen Pfefferspray und zum Schutz vor der Sonne benutzen, wird die Bewegung auch "Regenschirm-Revolution" genannt.