Erneut kam es in Philadelphia zu heftigen Ausschreitungen. Foto: AFP/GABRIELLA AUDI

Erneut löst der Tod eines Afroamerikaners bei einem Polizeieinsatz in den USA Unmut und Proteste aus. Dass sich der Vorfall in einem der umkämpften Swing States so kurz vor der Präsidentenwahl ereignete, gibt dem Geschehen besondere Brisanz.

Philadelphia - Nach dem Tod eines Afroamerikaners durch Polizeischüsse hat es in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania die zweite Nacht in Folge Ausschreitungen gegeben. Zunächst hätten Hunderte Menschen friedlich gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert, berichteten örtliche Medien in der Nacht zum Mittwoch. Später seien Beamte mit Steinen und Flaschen attackiert worden, die Polizei habe Reizgas und Schlagstöcke eingesetzt. Auch Plünderungen wurden gemeldet. Der Fall rückt auch in den Fokus, weil Pennsylvania zu den Swing States zählt, jenen umkämpften Bundesstaaten, die bei der Präsidentenwahl nächste Woche entscheidend sein könnten.

 

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Auslöser der Proteste war der Tod des 27-jährigen Walter Wallace bei einem Polizeieinsatz am Montag. Der Mann sei mit einem Messer bewaffnet gewesen und habe dieses trotz mehrfacher Aufforderungen nicht fallen lassen, teilte die Polizei mit. Er habe sich auf die Polizisten zubewegt, woraufhin zwei Beamte mehrfach auf ihn gefeuert hätten. Passanten filmten den Vorfall mit ihren Smartphones. Bei den Protesten waren nach Polizeiangaben bereits am Montag 30 Beamte verletzt und 91 Menschen festgenommen worden.

Joe Biden spricht Mitgefühl aus

„Die Unruhen in Philadelphia sind die jüngste Folge des Krieges der liberalen Demokraten gegen die Polizei“, hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses. Alle Vorfälle mit tödlicher Gewalt müssten vollständig untersucht werden. Es könne aber niemals zugelassen werden, „dass der Mob regiert“. Die Regierung von Präsident Donald Trump stehe an der Seite der Strafverfolgungsbehörden und sei auf Anfrage auch bereit, Bundeskräfte zu mobilisieren, um die Unruhen zu stoppen.

Pennsylvanias Gouverneur Tom Wolf, der wie Philadelphias Bürgermeister Jim Kenney den Demokraten angehört, hat laut der Zeitung „The Philadelphia Inquirer“ selbst bereits mehrere Hundert Mitglieder der Nationalgarde aus dem Bundesstaat mobilisiert.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hatte den Angehörigen des Toten sein Mitgefühl ausgesprochen, aber auch die Ausschreitungen verurteilt: „Gleichzeitig entschuldigt Wut über die sehr realen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft keine Gewalt“. Angriffe auf Polizisten und die Zerstörung kleiner Unternehmen brächten keine Gerechtigkeit.

Enges Rennen um Wahlleute

Bei der Wahl 2016 konnte sich Trump in Pennsylvania sehr knapp durchsetzen. Der Bundesstaat im Nordosten der USA lässt sich als Swing State weder den Republikanern noch den Demokraten klar zuordnen. Umfragen räumen derzeit Biden gute Chancen ein, sich die 20 Wahlleute dort zu sichern - es könnte aber eng werden.

Die Angehörigen des getöteten 27-Jährigen werfen der Polizei unverhältnismäßige Gewalt vor. Es sei bekannt gewesen, dass Wallace psychische Probleme gehabt habe, sagte der Anwalt der Familie, Shaka Johnson, Medienberichten zufolge. Wallace habe an einer bipolaren Störung gelitten. Demnach hatte die Familie den Notruf gewählt, um einen Krankenwagen zu bestellen. Stattdessen sei die Polizei gekommen. „Warum haben sie nicht einen Taser (Elektroschockwaffe) benutzt? Warum mussten sie ihn niederschießen?“, fragte Wallaces Vater in der Zeitung „The Philadelphia Inquirer“.

Nicht alle Beamte seien mit Tasern ausgerüstet, sagte Polizeichefin Danielle Outlaw laut dem Sender ABC. Zusätzliche Mittel dafür seien beantragt worden. Sie versprach eine lückenlose Aufklärung des Falls. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beide Beamte hätten Körperkameras (body cameras) getragen. Die Bilder wurden jedoch zunächst nicht publik gemacht. Laut Medienberichten sollen die zwei Polizisten je sieben Schüsse abgefeuert haben. Die beiden seien während der Ermittlungen in den Innendienst versetzt worden.

„Video wirft Fragen auf“

Bürgermeister Kenney hatte mit Blick auf den Vorfall erklärt: „Ich habe das Video dieses tragischen Vorfalls gesehen. Es wirft schwierige Fragen auf, die beantwortet werden müssen.“

In den USA war es seit Ende Mai landesweit zu Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt gekommen. Der Auslöser war die brutale Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz in der Stadt Minneapolis gewesen. Bei der Festnahme hatte ein Polizist rund acht Minuten lang sein Knie auf Floyds Nacken gedrückt.