Die Modernisierung im Korntaler Bahnhofweg sollte längst beendet sein. Im Treppenhaus sind viele Kabel nicht verlegt. Foto: factum/Granville

Dächer ohne Ziegel, Balkone ohne Brüstung: Eine Modernisierung von Wohnhäusern im Stadtteil Korntal von Korntal-Münchingen durch Vonovia löst bei vielen Mietern Entsetzen aus – zumal danach saftige Mieterhöhungen drohen. Ihr Gegner ist mächtig.

Korntal-Münchingen - Heinz Bauer (Name geändert) schüttelt nur noch fassungslos den Kopf, wenn er an seinen Vermieter denkt. Das Wohnungsunternehmen Vonovia mit Sitz in Bochum hatte im Frühjahr die Modernisierung von 33 Wohnungen in sechs Mehrfamilienhäusern im Korntaler Bahnhofweg angekündigt. In einer der früheren Eisenbahnerwohnungen leben Bauer und seine Frau seit gut 40 Jahren. Ende September sollten die Handwerker fertig sein. Doch statt Freude herrscht bei den Mietern Entsetzen. Sie sprechen von „nicht hinnehmbaren Mängeln“ und „Pfusch“. Die meisten Arbeiten seien nicht gemacht. „Sie gehen, wenn überhaupt, nur sporadisch voran“, klagt Heinz Bauer.

Zwar sei das Dach gedämmt, jedoch fehlten seit Mai die Ziegel. Eine Plane schütze das Dach. Die Außendämmung sei noch nicht angebracht, im Treppenhaus hingen Kabel aus den Wänden. „Unsere Balkone sollen vergrößert werden. Das geht aber nicht, weil dort das Gerüst steht“, sagt Bauer. Die Handwerker hätten bislang nur die Brüstung entfernt. Auch sei ein Keller nass. Seitdem das Vordach des Hauses abgerissen wurde, laufe Wasser ins Untergeschoss.

Wie es weitergeht? Bauer weiß es nicht. „Ich habe Vonovia mindestens drei Mal geschrieben, doch es kommt keine Reaktion. Die drangsalieren uns, dabei wäre es das Mindeste, sich zu entschuldigen und uns den Grund für die Verzögerung mitzuteilen.“ Was Bauer indes sicher weiß: Nach der Modernisierung steigt die Miete. Gut 42 Prozent mehr soll er Stand jetzt zahlen.

Es gibt viele Vorwürfe gegen Vonovia

Der Senior sagt, er fühle sich so gemobbt wie machtlos. Trotzdem wehrt er sich – und schöpft Hoffnung. Bei Recherchen im Internet ist Bauer auf eine Initiative der Vonovia-Mieter in Stuttgart gestoßen, die die Korntaler nun unterstützt. Und er hat Berichte über ein Urteil gefunden: Das Bremer Landgericht erklärte eine Mieterhöhung der Vonovia für nicht rechtens. Das Unternehmen hatte nach einer Instandhaltung und energetischen Modernisierung in einem Bremer Wohnhaus die Mieten um bis zu 40 Prozent erhöhen wollen.

Gegen Vonovia hat sich bundesweit Widerstand formiert. Es gibt viele Vorwürfe gegen das mit weitem Abstand größte Wohnungsunternehmen in Deutschland – deren Bestand liegt aktuell bei rund 400 000 Einheiten. Vonovia modernisiert zurzeit nicht nur in Korntal-Münchingen einen Teil ihrer insgesamt 106 Wohnungen. Von den in Stuttgart bewirtschafteten 4606 Wohnungen sollen dieses Jahr 279 modernisiert werden. Auch in der Landeshauptstadt hagelte es Proteste. Der bundesweit größte private Vermieter erhöht nach Sanierungen offenbar nicht nur drastisch die Mieten und macht so aus günstigen Wohnungen teure: Er soll sich zudem nicht an die Mietpreisbremse halten und Wohnungen überteuert anbieten.

Mieterverein kritisiert „Luxusmodernisierungen“

„Vonovia steht am Pranger, weil es jede Möglichkeit für Rendite sucht. Es nutzt jede Lücke aus, um Mietpreise zu erhöhen“, sagt Eckart Bohn. Der Vorsitzende des Mieterbunds in Ludwigsburg kritisiert vor allem die „Luxusmodernisierungen“ bei den preiswerten, weil einfachen Wohnungen. „Danach kommt eine Mieterhöhung, die sich gewaschen hat.“ Bohn nennt es auch ein „Riesenproblem“, dass Hauseigentümer nicht klar zwischen Instandhaltung und Modernisierung unterscheiden.

Nach einer Modernisierung dürfen sie laut Gesetz elf Prozent der entstandenen Kosten für energetische Modernisierung auf die Jahresmiete umlegen. Die Bundesregierung will das auf acht Prozent senken, Mietervereine fordern weniger. Dagegen ist es verboten, Instandhaltungskosten in die Modernisierung hineinzurechnen und somit auf die Miete umzulegen. Vonovia tue das trotzdem. „Der Großteil der Kosten wird auf die Mieter abgewälzt“, sagt Bohn. Wer sich nicht wehrt, habe verloren.

Auf Anfrage zeigt sich Vonovia einsichtig

Das sieht die Vonovia-Mieterinitiative ähnlich. Sie hat ein Schreiben an Vonovia geschickt, das unserer Zeitung vorliegt. Darin fordert sie eine schnelle Beseitigung der Mängel in Korntal. „Manche Mieter haben ihre Miete um 15 Prozent reduziert“, sagt die Sprecherin und Linken-Politikerin Ursel Beck. Sie weiß aus eigener Erfahrung, dass Proteste wirken können. So ist Vonovia bereits Stuttgarter Mietern entgegengekommen. Sie habe schon viel erlebt, sagt Beck, nicht aber, dass wie in Korntal eine Baustelle stillstehe und Vonovia nicht reagiere. „Dort sind untragbare Zustände.“

Auf Anfrage unserer Zeitung zeigt sich Vonovia einsichtig. „Wir werden Mietminderungen gewähren, ohne dass diese gefordert werden müssen. Dies teilen wir den Mietern noch schriftlich mit“, sagt ein Sprecher. Die Mieten würden nach der Modernisierung nur um maximal drei Euro pro Quadratmeter erhöht. Bei den Bauarbeiten räumt Vonovia Verzögerungen ein. Der Dienstleister für die Dachdeckerarbeiten etwa habe bei einem Notfall aushelfen müssen, weshalb es kurzfristig zu „Kapazitätsproblemen“ gekommen sei. „Die Dächer werden voraussichtlich in den nächsten 14 Tagen fertiggestellt“, sagt der Sprecher, die Fassadenarbeiten würden auf das Frühjahr verschoben. Aktuell gehe man davon aus, dass alle Arbeiten bis spätestens Mai abgeschlossen werden.

Heinz Bauer bleibt skeptisch. Er will sich juristisch beraten lassen. Am wichtigsten sind ihm die Dachziegel, damit er nicht unnötig hohe Heizkosten hat. Auf seinen Balkon kann er vorerst getrost verzichten.