Palästinenser protestieren wie hier in Bethlehem gegen den Plan des US-Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Foto: AP

Die Aufregung der arabischen Staaten über Trumps Jerusalem-Plan ist zwar groß. Doch es ist auch viel Heuchelei dabei, analysiert der Nahost-Korrespondent Martin Gehlen.

Tunis - Donald Trump ist verliebt in Superlative. Sich selbst sieht er als den mutigsten Politiker, den es je gab, der auch solche heißen Eisen anpackt, von denen alle seine Vorgänger die Finger ließen. Und so macht er jetzt Ernst und erkennt als erster amerikanischer Präsident Jerusalem als Hauptstadt Israels an.

Politisch jedoch hätten die USA diesen Paukenschlag nie riskiert, wenn sie nicht Saudi-Arabien und auch Ägypten hinter sich wüssten. Denn trotz der störrischen Rhetorik des alten Königs an die Adresse des ansonsten hochgeschätzten Donald Trump: Für die junge Garde unter seinem Sohn und Kronprinzen Mohammed bin Salman steht längst nicht mehr der Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Mittelpunkt ihrer Regionalstrategie, sondern die totale Konfrontation mit dem schiitischen Erzfeind Iran.

Saudi-Arabien weiß die USA hinter sich

Hier weiß sich Saudi-Arabien mit den USA im Bund, und hierfür möchte es auch Israel als Partner gewinnen. Als Preis dafür ist das Königshaus bereit, die Hoffnungen der Palästinenser auf einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt weitgehend aufzugeben. Riad konfrontierte die Palästinenser kürzlich mit einem Friedensplan, den deren Präsident Mahmud Abbas als Schlag ins Gesicht empfand. Als Territorium bliebe ihm nur noch ein Flickenteppich mit einer Handvoll Enklaven. Die meisten jüdischen Siedlungen würden nicht angetastet. Und zur neuen Hauptstadt ausgerufen würde ein Örtchen vor den Toren Ost-Jerusalems, hinter der israelischen Sperrmauer. Im Gegenzug versprach der Thronfolger, etliche Milliarden lockerzumachen.

Denn die Saudis wie auch die meisten anderen arabischen Staaten haben die palästinensische Sache längst aufgegeben, auch wenn die arabische Feiertagsrhetorik von den Brüdern in Gaza und Westbank munter weiter geht. Zu zerstritten sind Hamas und Fatah. Auch die jüngste, von Ägypten erzwungene Gaza-Vereinbarung löste sich bereits am ersten Tag ihres Inkrafttretens zum 1. Dezember in Luft auf. Umgekehrt regiert in Israel eine stramm national-rechte Regierung, die mit ihrer Siedlungspolitik alles tut, um die Zwei-Staaten-Lösung zu verbauen, und die sich mit dem Jerusalem-Geschenk von Donald Trump nun am Ziel sieht. Die „schmerzhaften Kompromisse“ von Benjamin Netanjahu waren nie mehr als hohle Worte. Denn für ihn und seine politischen Gesinnungsgenossen sind der gegenwärtige Status quo plus die Hauptstadt Jerusalem das Optimum des Erreichbaren.

Die Selbstzerstörung der arabischen Welt

Aber auch die dramatische Selbstzerstörung der arabischen Welt hat im Blick auf den langwierigen Nahostkonflikt die Relationen verschoben. Wer von Israel als einem Apartheid-Staat redet, kann nicht gleichzeitig dem Massenmörder Bashar al-Assad huldigen, dem Umgang des türkischen Despoten Erdogan mit der kurdischen Minderheit applaudieren, die Hungerblockade der Saudis gegen das jemenitische Volk oder die brutale Unterdrückung aller politisch Andersdenkenden durch den ägyptischen Diktator Abdel Fattah al-Sisi als Kampf gegen den Terror preisen. Ganz zu schweigen von dem zivilisatorischen Bankrott durch den „Islamischen Staat“, dessen blutige Spur von Terror und Verwüstung sich inzwischen durch fast alle arabischen Staaten zieht.

Jetzt eint für einen Moment das Thema Jerusalem alle Völker und Potentaten des Nahen Ostens – derjenigen Weltregion, die nach dem jüngsten Arabischen Entwicklungsbericht der Uno für die Hälfte aller Terrortaten und Flüchtlingsbewegungen auf dem Globus verantwortlich ist. Doch der Rausch der kollektiven Empörung wird bald verfliegen. Und die selbstkritische Bilanz über den eigenen Anteil am Scheitern der palästinensischen Sache und am Scheitern der gesamten Region wird weiter auf sich warten lassen.