„Der Kampf geht weiter“ steht auf dem Banner der Demonstranten. Foto: AFP

Die teils heftigen Proteste gegen die Arbeitsmarktreform in Frankreich dauern an. Eine Protestaktion löste einen gewaltigen Stromausfall aus, die Pilotengewerkschaft kündigte Streiks an. Wie soll es während der Fußball-EM weitergehen?

Paris - Seit Monaten kommt es in ganz Frankreich immer wieder zu Protesten gegen eine geplante Arbeitsmarktreform. Nun scheint sich die Situation noch einmal zuzuspitzen – eine Woche vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft machen die Gewerkschaften weiter gegen die Regierung mobil. Die zweitgrößte Pilotengewerkschaft Spaf kündigte einen Streik ab dem 11. Juni an, also einen Tag nach Beginn des Fußballturniers. Hintergrund sind Lohnkürzungen bei der Fluggesellschaft.

Worum geht es bei den Protestaktionen?

Seit nun schon drei Monaten dauern die Proteste gegen geplante Arbeitsmarktreformen in Frankreich an, landesweit kommt es zu immer heftigeren Streiks und Blockaden. So besetzten Arbeiter am Donnerstag ein Umspannwerk im Westfrankreich und provozierten damit einen gewaltigen Stromausfall, betroffen waren nach Angaben des Netzbetreibers 125 000 Haushalte. Eisenbahner setzten einen unbefristeten Streik fort.

Die Fronten zwischen der sozialistischen Regierung von Staatschef François Hollande und den Gewerkschaften sind immer mehr verhärtet: „Die Regierung kämpft darum, vor den Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr eine Reform durchzubringen, die den Arbeitsmarkt entlasten soll“, sagt Julie Hamann von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). So will Hollande im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit im Land beispielsweise die 35-Stunde-Woche und den Kündigungsschutz lockern, außerdem sollen die Unternehmen künftig mehr Entscheidungsbefugnisse bekommen. Auch Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen sollen durch die Reformen ermöglicht werden.

Auch der linke Gewerkschaftsbund CGT gibt nicht nach: „Die Regierung ist mit ihrem Schweigen und der Missachtung der Proteste verantwortlich für die Blockade-Situation“, heißt es in einer Mitteilung. Für die sowieso schon schwächelnden Gewerkschaften gehe es darum, nicht noch weiter an Einfluss zu verlieren, sagt Frankreich-Expertin Hamann.

Welche Auswirkungen hat das auf die Fußball-EM?

Auch Protestaktionen während der Fußball-Europameisterschaft, die am 10. Juni beginnt, schließt die CGT inzwischen nicht mehr aus. Man werde solange weiter mobil machen, bis die Regierung von den geplanten Reformen ablasse und neue Verhandlungen eröffne, heißt es von der CGT. Am 14. Juni ist der nächste Aktionstag geplant – also mitten in der Turnierphase.

Mit welchen Aktionen während des Fußballturniers zu rechnen ist, ist schwer einzuschätzen. Betroffen von den Streiks sind bislang nicht nur Fabriken und Industrieanlagen, sondern zum Beispiel auch die Zugverbindungen im Land. Die Eisenbahner setzten einen am Mittwoch begonnenen unbefristeten Streik fort, fast die Hälfte der Zugverbindungen war betroffen – Züge nach Deutschland fielen bislang aber nicht aus. In Paris besetzten Demonstranten zwischenzeitlich ein Stellwerk des Bahnhofs Gare de Lyon, eine Stunde lang konnte kein Zug abfahren. Bei der Staatsbahn SNCF wird aber nicht nur wegen der Arbeitsmarktreform gestreikt, sondern in erster Linie wegen Verhandlungen über Arbeitsbedingungen im Unternehmen und in der Bahnbranche.

Wie ist die Situation im Land?

Am Donnerstagmorgen blockierten Demonstranten die Zufahrten zu Atomkraftwerken, Fabriken, Müllverbrennungsanlagen und Gewerbegebieten in verschiedenen Landesteilen. Blockiert wurde auch eine Fabrik des Unternehmens von Arbeitgeberpräsident Pierre Gattaz. Der hatte kürzlich die CGT wegen ihrer Blockaden mit „Terroristen“ verglichen, später aber eine „unangebrachte“ Äußerung eingeräumt. Bei der Räumung einer Blockade in der südfranzösischen Stadt Toulouse wurden nach Polizeiangaben acht Beamte leicht verletzt.

Die Gewerkschaften setzten auch ihre Streiks in Ölraffinerien und Häfen fort. In 16 von Frankreichs 19 Atomkraftwerken stimmten die Beschäftigten zudem für zeitweilige Arbeitsniederlegungen. Schon vor einer Woche hatten die Gewerkschaften für eine Drosselung der Produktion in einer Reihe von Atomkraftwerken gesorgt, ohne dass dies die Stromversorgung beeinträchtigte. In Frankreich stammen rund drei Viertel des produzierten Stroms aus der Atomkraft.

Aus Protest kam es im ganzen Land außerdem erneut zu Demonstrationen. Dabei lieferten sich in der westfranzösischen Stadt Nantes jugendliche Demonstranten heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei, warfen Flaschen und Steine.