Boschler wehren sich gegen geplanten Verkauf Foto: dpa

Ungewohntes Bild vor der Konzernzentrale: Mit Trillerpfeifen demonstrieren die Mitarbeiter gegen Ausgliederungspläne des Unternehmens – und verschaffen sich bei der Führung Gehör.

Stuttgart - „Der einzige Fachkräftemangel, den wir haben, ist der in der Geschäftsführung“ steht auf dem einen Plakat, „wir trauern um die soziale Firma Bosch“ auf einem anderen. Rund 2000 Bosch-Beschäftigte protestierten vor der Konzernzentrale auf der Schillerhöhe gegen den Plan des Konzerns, die Sparte Starter und Generatoren und mit ihr rund 1000 Mitarbeiter deutscher Standorte in eine eigene Gesellschaft auszugliedern, die danach verkauft werden soll. Das Unternehmen erhofft dadurch Verkaufserlöse für sich und eine bessere Zukunft für die Mitarbeiter als unter dem Bosch-Dach, weil die Sparte in ihrer heutigen Ausrichtung zu klein für den weltweiten Preiskampf und zu stark auf den wachstumsschwachen europäischen Markt ausgerichtet sei. Die Vertreter der Beschäftigten sehen hinter den Plänen dagegen eine Absicht von Bosch, sich nicht nur bei der Anlassersparte aus der sozialen Verantwortung zu stehlen. „Bosch reißt sich die soziale Maske herunter“, ruft der Hildesheimer Betriebsratsvorsitzende Stefan Störmer ins Mikrofon. „Beim Arbeitsdirektor sammeln sich die Pokale für Familienfreundlichkeit, uns dagegen stößt man vom Bosch-Tanker in die raue See, wo es von Finanzhaien nur so wimmelt.“ In Hildesheim arbeitet die Hälfte der 500 deutschen Beschäftigten, die ausgelagert werden soll. Die andere Hälfte – vor allem Entwickler – arbeitet am Forschungsstandort Schwieberdingen.

In Hildesheim werden ungute Erinnerungen an einen früheren Verkauf wach

Während der Arbeitsmarkt für Entwickler vergleichsweise gut ist, fürchten in Hildesheim viele um ihre Existenz – zumal der Name Bosch dort nicht ganz so einen guten Klang hat wie in der Region Stuttgart. Denn um die Jahrtausendwende hat sich Bosch von Teilen der Unterhaltungselektronik getrennt – die Käufer haben danach massiv Stellen abgebaut. Hartmut Meine, Chef der Gewerkschaft IG Metall für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, hat das dem Konzern nicht vergessen: „Erst wurde behauptet, die Arbeitsplätze seien sicher“, ruft er. „Danach kamen die Kündigungen. Die Käufer haben für Bosch die Drecksarbeit gemacht. Deshalb gehen bei uns sämtliche Alarmlampen an, wenn Teile verkauft werden sollen.“

Der Verkauf der Unterhaltungselektronik gilt aber selbst im Konzern nicht als Ruhmesblatt. Jahre später verlief der Verkauf des Bremsengeschäfts an einen amerikanischen Finanzinvestor im Jahr 2012 ohne größere Konflikte mit den Beschäftigten; und auch bei der Schließung der mit großen Hoffnungen gestarteten Solarsparte im Jahr 2013 ging Bosch – gemessen an den galoppierenden Verlusten – maßvoll vor und fand mit Solarworld sogar einen Käufer, der den verbliebenen Beschäftigten wieder eine Perspektive gibt. Doch das ändert für die Hildesheimer Beschäftigten nichts daran, dass die neuen Verkaufspläne unangenehme Erinnerungen wachrufen. „Starter und Generationen sind die Keimzelle des Unternehmens“, sagt IG-Metall-Vizechef Jörg Hofmann. „Es tut weh, wie Bosch mit diesem Fundus umgehen will.“ Man sperre sich zwar nicht gegen Veränderungen. „Aber diese müssen den Menschen Perspektiven bieten.“

Für zusätzliche Irritation bei den Beschäftigten sorgt der Umstand, dass der Konzern mit den Arbeitnehmern erst vor kurzem ein Abkommen zur Jobsicherung bis 2018 verlängert hatte. Für diese Zusagen hatten die Beschäftigten immer wieder beträchtliche Abstriche im Kauf genommen. „Wir wollten eine Brücke in die Zukunft bauen“, sagt Hofmann. „Nun stellen wir fest, dass einer der Pfeiler auf Sand gebaut ist.“ Personalchef Christoph Kübel wird später dagegen sagen, ungeachtet der Pläne stehe das Unternehmen zu diesem Vertrag.

Rechtlich hat der Betriebsrat hier wenig zu sagen – doch er hat einige Druckmittel, und die setzt er auch ein

Doch mit der Demonstration wollen die Beschäftigten nicht nur Dampf ablassen, sondern auch an der bereits getroffenen Entscheidung schrauben. Rechtlich gibt es für den Betriebsrat nicht allzu viele Möglichkeiten – die Ausgliederung ist eine Entscheidung, die die Beschäftigten nicht verhindern können. Doch mit dem Übergang eines Unternehmens ändert sich auch der Arbeitgeber der Beschäftigten, und diese können dem Übergang widersprechen.

Das kann für den Einzelnen sehr riskant sein, denn wenn er als Einziger bleibt, gibt es für ihn in der alten Firma womöglich keinen Arbeitsplatz mehr. Widersprechen aber fast alle Mitarbeiter, wechselt eine Firma fast ohne Mitarbeiter den Eigentümer, was den Verkauf erheblich erschwert. Bei einem Gespräch mit Konzernchef Volkmar Denner und Personalchef Christoph Kübel macht Löckle offenbar noch einmal klar, dass er entschlossen ist, die Mitarbeiter zu massenhaftem Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses aufzurufen.

„Wir können nicht erst unsere Waffen abgeben und danach ausgeliefert sein“, erklärt Löckle. Vielmehr drängt er darauf, dass die Beschäftigten den Joker des möglichen Widerspruchs in der Hand behalten – und setzt sich zumindest in diesem Punkt am Ende durch. Die Mitarbeiter behalten ihr Widerspruchsrecht, bis ein Käufer gefunden ist – für Bosch ein Anreiz, beim Verkauf auf gute Perspektiven für die Mitarbeiter zu achten. Löckle hält das zwar nicht für einen Durchbruch – aber doch für einen „kleinen Erfolg“, der ohne den Aufmarsch der Belegschaft „nicht möglich gewesen wäre“.