Mit seiner Sprühaktion in Hamburg sorgt der Künstler Shahak Shapira für Diskussionen um die Löschpolitik von Twitter. Foto: Shahak Shapira/dpa

Aus Protest gegen die aus seiner Sicht unzureichende Löschpolitik von Twitter hat der Berliner Künstler Shahak Shapira 30 Hasskommentare vor das Hamburger Büro des Konzerns gesprüht.

Hamburg - Der israelisch-deutsche Künstler Shahak Shapira hat vor einem Hamburger Büro des Kurzbotschaftendiensts Twitter zahlreiche Hassbotschaften auf die Straße gesprüht. „Wenn Twitter mich zwingt, diese Dinge zu sehen, dann müssen sie es auch zu sehen bekommen“, sagte Shapira in einem am Montag im Internet verbreiteten Video.

 

Nach Angaben von Shapira handelt es sich bei den gesprühten Texten um eine Auswahl aus rund 300 Hasskommentaren, die er dem Konzern in den vergangenen Monaten angezeigt habe. Diese Tweets seien aber entweder ignoriert, als zulässig eingestuft oder ohne eine Benachrichtigung an Shapira gelöscht worden, behauptet der Berliner in dem Video:

Protest unter dem Stichwort #heytwitter

Mit seiner Aktion unter dem Twitter-Stichwort #heytwitter protestiert Shapira nun gegen die Löschpolitik des US-Konzerns. Vor dem Gebäude des Twitter-Büros am Bahnhof Altona waren in der Nacht zum Freitag 30 Kurztexte in weißer Schrift auf den Boden gesprüht worden. Diese enthielten rassistische und antisemitische Beleidigungen wie „Judenschwein“ und forderten dazu auf, den Leser der Nachricht zu „hängen“ oder zu „vergasen“.

Twitter sichert seinen Nutzern zu, auf die gemeldeten Tweets zu reagieren. Shapira kritisierte, dass es sich bei vielen der von ihm gemeldeten Tweets um „absolut ernst gemeinte Gewaltandrohungen“ handle. Dennoch lasse ihn Twitter mit dem Hass anderer Twitter-Nutzer allein. Dagegen lobte Shapira Facebook: Das in der Vergangenheit für seine Löschpolitik oft kritisierte Netzwerk habe von 150 gemeldeten Hasskommentaren etwa 80 Prozent gelöscht – und das binnen drei Tagen.

Aktion erhält viel Zustimmung von anderen Nutzern

Shapira erhielt für seine Aktion auf Twitter viel Zustimmung von anderen Nutzern.

Auch Bundestagsabgeordneter Volker Beck lobte die Aktion des Künstlers auf Twitter: Es werden aber auch Stimmen von Kritikern laut, die Shapira „unerlaubtes Graffiti“, Vandalismus oder gar Zensur vorwerfen. Die Anschuldigungen reichen vom „Hatespeech-Zensurmob“ bis zur „Volksverhetzung“:

Deutliche Stellungnahme von Twitter bleibt aus

Einige Nutzer, wie beispielsweise Twitter-User „Omerta“, fordern hingegen eine deutliche Stellungnahme des sozialen Netzwerks:

Das Unternehmen selbst reagierte bisher nur zurückhaltend: Aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen äußere man sich nicht zu einzelnen Nutzeraccounts. In Bezug auf die in der Graffiti-Aktion zitierten Sprüche erinnerte Twitter an die Bestimmungen und Möglichkeiten, solche Inhalte zu melden. „Nutzer können diese Accounts auch stummschalten und blockieren“, hieß es zudem. Weder veröffentlichte die Deutschlandzentrale einen Tweet noch war das Unternehmen für Presseanfragen zu erreichen. Mit rechtlichen Konsequenzen muss Shapira wohl nicht rechnen: Die gesprühten Botschaften waren abwaschbar.

Justizminister Maas kritisiert unzureichende Löschpolitik

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verwies bei dem Kurznachrichtendienst auf die Aktion des Künstlers mit der Bemerkung, Twitter lösche nur ein Prozent der von seinen Nutzern gemeldeten Hasskriminalität. „Das reicht nicht.“ Maas stand hinter einem im Sommer angenommenen Gesetz, dass Internet-Plattformen verpflichtet, Hassrede schneller zu löschen.

In klaren Fällen soll das binnen 24 Stunden passieren, bei weniger eindeutigen Sachverhalten innerhalb einer Woche. Kritiker – auch aus der Internet-Branche – bemängeln unter anderem, dass damit die Unternehmen eine Deutungshoheit bekämen. Außerdem gebe es die Gefahr, dass mehr gelöscht werde als nötig, um vor nach dem Gesetz drohenden Geldstrafen sicher zu sein. Maas konterte, es solle nur entfernt werden, was illegal sei – und die Firmen hätten ein wirtschaftliches Interesse, mehr Inhalte auf der Plattform zu haben.