Eine Grundschule in der neuen Moschee? Wer dies erfunden hat, bleibt unklar. Vielleicht wird die Polizei nachforschen. Foto: Archiv Regine Warth

Jemand wirft Infoblätter in Briefkästen und konstruiert abstruse Zusammenhänge rund um ein geplantes muslimisches Gebetshaus in Leinfelden-Echterdingen – und zwar nicht zum ersten Mal.

Leinfelden-Echterdingen - Wer auch immer da von seinem stillen Kämmerlein aus Stimmung gegen die in Oberaichen geplante Moschee macht, er beherrscht das kleine Einmaleins der politischen Agitation. Zumindest könnten die Wurfsendungen, die vor dem Wochenende auf einmal in vielen Briefkästen von Oberaichen, Unteraichen und Musberg lagen, geradewegs einem kommunistischen Lehrbuch entspringen – obschon der Urheber des aktuellen Flyers wohl eher von rechtsaußen her fabuliert als von linksaußen. Das Faltblatt jedenfalls ziert ein Bild der in Oberaichen bestens bekannten Moschee, ohne das Wort Moschee zu nennen, mit spielenden Kindern und der Überschrift, dass eine Grundschule eröffnet wird. Es gebe auch noch freie Plätze für Kinder.

Gleichermaßen raffiniert wie perfide ist dabei, dass teils reale und bekannte Dinge so miteinander vermischt werden, dass der Eindruck entsteht, die neue Grundschule sei muslimisch. Was in Verbindung mit dem vielerorts durchaus vorhandenen Unwohlsein beim Gedanken an den Moscheebau wohl zu noch mehr Kritik führen soll. Täuschen und Tarnen auch auf der Rückseite des Blatts. Nun ist die Rede davon, dass die Stadt das Gelände von der muslimischen Gemeinde übernommen habe, den Weiterbau verantworten werde, es schon eine Bildungs- und Jugendstätte Leinfelden – sogar inklusive Logo – gebe und die neue Schulleiterin Claudia Bartsch gerne das pädagogische Konzept erklärt.

Die Stadt überlegt sich, ob sie die Polizei einschaltet

Nichts davon ist wahr. Die Butterbrezeln wird es nicht geben, die zu einer ebenfalls erfundenen Infoveranstaltung im Rathaus Leinfelden versprochen sind. Wer dort erscheint, wird auch nicht die Namensverkündung aus dem Munde des Oberbürgermeisters Roland Klenk vernehmen. Und wer die Nummer auf dem Flyer wählt, landet bei Daimler. Kein Scherz.

„Das ist eine sehr ungute Art der politischen Auseinandersetzung“, sagt Klaus Peter Wagner, der Sprecher der Stadt Leinfelden-Echterdingen. „Diese Leute bleiben in der Deckung, sie bleiben anonym“, sagt er. Mit Demokratie und freier Meinungsäußerung habe das nichts zu tun. „Zur Demokratie gehört, dass man mit offenem Visier spricht. Damit man weiß, mit wem man es zu tun hat“, sagt er. Die Stadt überlege sich, die Polizei einzuschalten. Denn so etwas „darf niemand mögen“.

Ob es dafür eine rechtliche Handhabe gibt, ist fraglich, weil ja eben so geschickt Zusammenhänge hergestellt werden, ohne sie tatsächlich zu benennen. So gibt es in Oberaichen nämlich durchaus den Wunsch vieler Bürger nach einer Grundschule. „Das hat mit uns aber gar nichts zu tun“, sagt Herbert Klein, der Vorsitzende des Fördervereins Grundschule Oberaichen. „Von unserer Seite gibt es auch keine Stellungnahme zur Moschee.“ In die Auseinandersetzung will man sich nicht hineinziehen lassen.

In der Vergangenheit gab es ähnliche Aktionen mit Flugblättern

Wer auch immer für die erfundene Grundschule verantwortlich ist, er hat viel Mühe auf sich genommen und Zeit und Geld investiert. Die Flugblätter waren nicht nur allesamt auf Hochglanzpapier gedruckt. Ein Banner mit gleicher Aufschrift verdeckte zudem für kurze Zeit das Baustellenschild vor der Moschee.

Die Protestaktion steht in einer Reihe ähnlicher Aktionen in Oberaichen. Im September machten Flyer die Runde, in denen anscheinend die Identitäre Bewegung, die teilweise dem Rechtsextremismus zugeordnet wird, gegen die Moschee wetterte. Der Verfasser verwendete damals ein Zitat des örtlichen Bürgervereinsvorsitzenden – der sich prompt davon distanzierte. Im November dann wurde derselbe Flyer in das Amtsblatt geschoben, das in Briefkästen steckte – um so den Eindruck zu erwecken, als würde die Stadt das Infoblatt mittragen.