Bleibt erlaubt: Öffentlicher Alkoholkonsum. Foto: dpa

Sie würden vielleicht schon, aber sie können nicht: Grün-Rot bleibt dabei, dass es vorerst kein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen geben soll. Aber der Protest gegen diesen Kurs wächst.

Sie würden vielleicht schon, aber sie können nicht: Grün-Rot bleibt dabei, dass es vorerst kein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen geben soll. Aber der Protest gegen diesen Kurs wächst.

Stuttgart - Die Zahlen der neuen Polizeistatistik sind erdrückend. In Städten wie Stuttgart, Freiburg, Ravensburg, Konstanz und Heidelberg ist bei Gewalttaten immer öfter der Alkohol im Spiel, 65 Prozent der Beschuldigten waren demnach alkoholisiert, der durchschnittliche Alkoholgehalt lag bei 1,6 Promille. Da verwundert es nicht, dass fast 30 Polizeidienststellen aus dem ganzen Land händeringend die Regierung bitten, man möge es den Kommunen erlauben, ein Alkoholkonsumverbot erlassen zu können. Doch Grün-Rot mag diesen Schritt nicht gehen. „In dieser Wahlperiode wird ein solches Gesetz nicht kommen“, machte SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel am Donnerstag im Landtag klar.

Selten zuvor wurde eine so genannte „aktuelle Debatte“ im Parlament ihrem Ruf so gerecht wie diesmal. CDU-Polizeiexperte Thomas Blenke fuhr schweres Geschütz gegen die Regierung auf. Obwohl eine Arbeitsgruppe mit Experten aus Politik und Polizei auf Bitte von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sich fast ein Jahr Gedanken gemacht habe, wie man dem zunehmenden Problem in den Innenstädten begegnen könne, habe der Regierungschef vor wenigen Tagen – kaum lagen die Vorschläge der Expertenrunde auf dem Tisch – den Punkt Alkoholverbot sofort gestrichen. „Das ist verdammt schlechter Stil. Die Politik des Gehörtwerdens endet dort, wo der Gehörte anderer Meinung ist“, so Blenke und fügte bissig im Namen der Arbeitsgruppe hinzu: „Wir fühlen uns verschaukelt.“ Dabei sei es besonders pikant, dass Kretschmann eigentlich für ein solches Verbot sei, er dafür aber in seiner Partei keine Mehrheit bekomme, so Blenke. Oder wie es Ulrich Goll (FDP) wenig später formulierte: „Kretschmann wird bei den Grünen ins Schaufenster gestellt und die anderen räumen hinter ihm den Laden aus.“ Goll erneuerte zwar die Haltung der FDP, dass ein solches Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen unnötig sei, weil die Polizei „schon jetzt Jugendliche des Platzes verweisen kann“, die aktuellen Diskussionen um das Verbot würden aber das Dilemma der Landesregierung offenbaren: „Es wird offensichtlich, dass sich der Ministerpräsident nicht durchsetzen kann.“

Bei der SPD wäre man sehr wohl für ein Verbot

Naturgemäß sieht man das bei den Grünen ganz anders. Allein, wie deren Fraktionsfachmann Josef Frey argumentierte, verwundert dann doch. Der CDU gehe es „nicht um die Lösung des Problems“, sondern darum, die Grünen „mit Dreck zu bewerfen“. Man möge doch „nicht mit Schrot auf Spatzen schießen“, das Problem sei längst nicht so groß, wie es von den Medien „falsch“ dargestellt werde. Dass selbst beim Koalitionspartner SPD in jenem Moment niemand klatschen wollte, blieb Frey verborgen, er fuhr fort. Die Maßnahmen, die es jetzt schon gebe und die der Arbeitskreis vorschlage – wie die Verlängerung von Sperrzeiten und mehr Jugendschutzmaßnahmen – würden „völlig ausreichen“, man brauche einen „interdisziplinären Mehrebenenansatz und „minimalinvasive Eingriffe“. Was damit wohl gemeint war?

Bei der SPD wäre man sehr wohl für ein Verbot, bekommt es aber parteiintern gegen die Jusos nicht durchgesetzt. Fraktionschef Schmiedel übte sich deshalb als Vorkämpfer für die Städte und deren schöne Marktplätze, „auf diese hohe Lebensqualität sind wir stolz“. Sollte heißen: Die müssen wir schützen vor Saufgelagen, Lärm und Müllbergen nach durchzechten Nächten. Aber, so Schmiedel, man befinde sich „nicht im luftleeren Raum, sondern im politischen Umfeld“. Und da sei nun mal „nicht alles durchsetzbar“. So musste das auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) schließlich einräumen. Es gelte, die „Lebensqualität der Menschen, die von dem Problem betroffen sind, zu schützen“, so Gall. Und jeder wisse doch, „dass ich ein Befürworter des Verbots bin, auch wenn es kein Allheilmittel ist“.

Thomas Blenke nahm die Distanz zwischen den Regierungspartnern dankbar auf und bot der SPD quasi eine große Koalition bei diesem Thema an. Mit der CDU habe die SPD die Mehrheit im Landtag für ein solches Verbot: „Packen wir es an.“ Soweit dürfte es freilich nicht kommen. Und nun? Die klare Absage von Grün-Rot an das Verbot wurde bei den kommunalen Spitzenverbänden umgehen entsetzt zur Kenntnis genommen. „Wir sind enttäuscht, dass die Politik nicht handelt. Das Gegrummel in den Städten wird größer“, erklärte ein hörbar frustrierter Stefan Gläser vom Städtetag.