Blick von oben auf die Demo Foto: Peter Petsch

Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 haben am Samstag bei einer Protestkundgebung auf dem Stuttgarter Marktplatz und beim anschließenden Demonstrationszug zum Hauptbahnhof mit der Infrastrukturpolitik der Bahn seit ihrer Privatisierung vor 20 Jahren abgerechnet.

Stuttgart - Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 haben am Samstag bei einer Protestkundgebung auf dem Stuttgarter Marktplatz und beim anschließenden Demonstrationszug zum Hauptbahnhof mit der Infrastrukturpolitik der Bahn seit ihrer Privatisierung vor 20 Jahren abgerechnet. Nach Schätzungen der Veranstalter haben 5000 Menschen daran teilgenommen, nach Angaben der Polizei waren es 1300.

Bei der Kundgebung auf dem mit Protestierenden gefüllten Marktplatz verlas Heiner Monheim, Professor für Raumentwicklung der Universität Trier, das Stuttgarter Bahnmanifest 2014. Es wurde von der Bahnkonferenz „Kopf machen in der Bahnpolitik – 20 Jahre Bahnreform – 20 Jahre Stuttgart 21“, zu der die Stuttgarter Gemeinderats-Fraktion SÖS/Linke und das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 am Wochenende ins Rathaus eingeladen hatten, erstellt.

In ihrem Manifest fordern die Konferenzteilnehmer die Hoheit der Politik über die Infrastruktur. Der Fern- und Nahverkehr der Bahn solle alle Regionen mit einem dichten, gut getakteten Netz erschließen. Der Bundestag müsse in Abstimmung mit den Ländern durch ein Fernbahngesetz Standards für ein IC-ICE- und Interregio-Netz festlegen. Ein modernisiertes Interregio-System verbinde Ober- und Mittelzentren im Taktverkehr und biete dem Fernbusverkehr Paroli. Ein europäisches Nachtzugnetz sei eine Alternative zum Flugverkehr.

Das Bahnnetz solle aus Umweltgründen elektrifiziert und durch eine sozial gerechte Netzfahrkarte bei gleichzeitiger Maut auf den Lastwagen- und Pkw-Verkehr attraktiv werden. Ein Umweltverbund aus ÖPNV, Leihfahrradsystemen und öffentlichen Autos fördere die Verkehrswende des Güter- und Personenverkehrs von der Straße auf die Schiene. So weit der Kern des Manifests.

Im Gespräch mit unserer Zeitung kritisierte Heiner Monheim die Privatisierung der Bahn ebenso wie die künftige europaweite Privatisierung des Trinkwassers als Fehler: „Bereiche wie die Infrastruktur darf der Staat nicht aus der Hand geben. Was hier geschieht, ist reinster Thatcherismus.“

Stuttgart 21, so Monheim, sei kein regionales Projekt, weil es Auswirkungen auf den Bahnverkehr in der gesamten Republik habe. „Die Stations- und Trassengebühren werden teurer, denn die Bahn muss ihre Gebühren erhöhen, weil in Stuttgart viel Geld gebunden ist. Das führt im Nah- und Fernverkehr zu weniger Nutzung der Schiene, denn die Bahn wird ihre Angebote wie jüngst bei der Schwarzwaldbahn zurückfahren.“

Egon Hopfenzitz, ehemals Leiter des Stuttgarter Hauptbahnhofs, skizzierte die Zeiten vor der Bahnreform: „Damals kamen im Hauptbahnhof täglich 1200 Züge pünktlich und unfallfrei an. Ausfälle gab es fast nie.“ Sabine Leidig, Bundestagsabgeordnete der Linken, forderte deshalb die Rückkehr der Bahn zu einem „am Gemeinwohl orientierten Unternehmen“. Damit könne sie zum Rückgrat für den „sozialökologischen Umbau von Verkehr und Mobilität“ werden.