Dieser Verstoß ist offensichtlich. Die kürzeste Kante der Behältnisse soll anderthalb mal so lang sein wie die Echse in ihnen. Foto: Peta

Peta hat das Veterinäramt des Landkreises Böblingen auf Platz drei seiner aktuellen Negativliste gesetzt. Anlass ist die dreitägige Reptilienbörse in Sindelfingen. Deren Veranstalter reklamiert für sich, auf Tierschutz höchsten Wert zu legen.

Sindelfingen - Die Taten geben eine Ahnung, welches Gewicht die Tierschützer der Sindelfinger Reptilienbörse beimessen: In Bad Tölz erwürgte ein Tiertrainer einen Hund, weil seine Dressurversuche erfolglos blieben. Er musste eine Geldstrafe zahlen, aber die örtlichen Amtstierärzte weigerten sich, ihm seine Lizenz als Hundetrainer zu entziehen. Auf einem Biobauernhof bei Karlsruhe lag ein ausgehungerter Esel hilflos auf gefrorenem Boden. Zwei Spaziergängerinnen deckten ihn zu und riefen den Amtstierarzt. Der Veterinär beschied vom Auto aus, der Zustand sei „noch okay“.

Derlei Beispiele listet alljährlich die Tierschutzorganisation Peta in einer Schmähliste auf. Mit ihr wollen die Tierschützer ein besonderes Versagen von Veterinärämtern anprangern. Der erwürgte Hund steht auf dem fünften, der halb tote Esel auf dem zweiten Platz der bundesweiten Tabelle für das Jahr 2018.

Bundesweite Richtlinien beschränken Tierbörsen auf einen Tag

Den Amtstierärzten des Landkreises Böblingen dürfte ihr dritter Rang keine Freude sein. Gemäß dem Urteil von Peta gebührt er ihnen, weil sie auf dem Sindelfinger Messegelände einmal mehr eine dreitägige Reptilienbörse genehmigt haben. Gemäß bundesweit gültiger Richtlinien sollen derartige Veranstaltungen nur einen Tag dauern. Aber „Richtlinien sind eben keine Gesetze“, sagt Edmund Haferbeck, nur „halbwegs verantwortungsbewusste Behörden“ hielten sich an sie. Haferbeck ist der Chefjustiziar von Peta.

Tatsächlich sind die Tierbörsen dem Bundes-Landwirtschaftsministerium eine 54-seitige Leitlinie wert. Den Reptilien ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Dessen letzter Satz ist unmissverständlich: „Reptilienbörsen sind auf einen Tag zu begrenzen.“ Er ist versehen mit einem Verweis auf ein „Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Reptilien“.

Gegen eben die verstößt die Börse laut Haferbeck nicht allein wegen ihrer Dauer. „Da herrscht ständig Überbelegung“, sagt er, „die Tiere werden gestapelt, und von Hygiene habe ich noch nicht mal geredet“. Fotos von Peta zeigen, wie Chamäleons und Geckos in Regalen als das angeboten werden, was sie in den Augen der Händler sind: Ware. Sie kauern hinter Klarsichtfolie in weißen Plastikkisten. Die Preise sind mit blauem Filzstift vermerkt: 40, 80, 160 Euro. Laut den ministerialen Größenempfehlungen muss jede Kante der Behälter mindestens anderthalb mal so lang sein wie die Echse in ihnen. Auf den Bildern ist der Verstoß eher die Regel als die Ausnahme.

Die Messe Sindelfingen meldete im vergangenen Jahr einen Publikumsrekord

Die Messe Sindelfingen erfreut sich zunehmend ihrer eigenen Beliebtheit. Im vergangenen Jahr meldete der Veranstalter für die Reptilienbörse einen Publikumsrekord. 15 000 Besucher kamen. Die Verantwortlichen reklamieren für sich, dass sie sogar Seminare zur artgerechten Haltung anbieten. „Das Tierwohl steht bei uns sehr weit oben“, sagt die Pressesprecherin Heidi Debschütz. Die Auflagen seien entsprechend streng und würden kontrolliert. „Wenn jemand die Standards nicht einhält, wird das behoben“, sagt Debschütz, „in letzter Konsequenz muss er gehen“.

Die amtlichen Kontrolleure „haben in der Vergangenheit keine schwerwiegenden Verstöße festgestellt, nur Bagatellen“. So sagt es Benjamin Lutsch, der Pressesprecher des Landratsamts und verweist eben darauf, was Haferbeck beklagt: Dass eine Leitlinie kein Gesetz ist. Insgesamt habe das Veterinäramt keine Bedenken, die Börse auch für drei Tage zu genehmigen. Ungeachtet dessen hatte der Protest von Peta offenbar Wirkung. „Ende Februar wird es ein Gespräch mit der Messe Sindelfingen geben, wie es in Zukunft weitergeht“, sagt Lutsch. Die diesjährige Reptilienbörse dauert vom 6. bis zum 8. Dezember.

Abzuwarten bleibt, ob die Böblinger Amtstierärzte danach in eine andere Peta-Wertungsklasse rücken. Die Tierschützer küren nicht nur die Fehl-, sondern auch die Glanzleistungen eines Jahres. Aktuell erfreuen sich die Kollegen des Kreises Tübingen des Platzes an der Tabellenspitze, weil sie hurtig Zierfische vor dem Erfrieren retteten. Der Eigentümer hatte die Tiere in einem Brunnen entsorgt.