Foto: Kraufmann

Der Mann, der das K-21-Logo entworfen hat: Rainer Benz warnt vor Eskalation, wenn Bäume fallen.

Stuttgart - Er ist der Mann, der dem Protest gegen Stuttgart21 Konturen gibt: Rainer Benz und seine Werbeagentur rb.w haben das grüne K-21-Logo entwickelt, organisieren Großdemonstrationen und sorgen für Merchandising-Artikel. Als politischer Aktivist versteht sich der 61-jährige Benz nicht. Ihn freut schon, dass seine Heimatstadt "in Bewegung" geraten ist.

Herr Benz, Ihre Agentur arbeitet für die Stuttgart-21-Gegner. Was tun Sie konkret?

Viele reden von Kampagne - nur, es gibt keine Kampagne. Wir steuern den Protest auch nicht. Wer so etwas behauptet, hat nicht begriffen, wie der Protest tickt.

Und wie tickt er?

Tatsache ist, dass sich die bürgerliche Bewegung gegen das Bahnprojekt Stuttgart21 ganz von selbst bewegt. Der Beitrag unserer Agentur besteht darin, dass wir ein Logo entwickelt haben - eben das K-21-Logo mit dem frischen Lindgrün -, und wir lassen Buttons, T-Shirts und Tausende Stofftragetaschen mit diesem Logo bestücken. Außerdem machen wir, zusammen mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart21, die Konzeption, Planung und Koordinierung von zwei großen Demonstrationen pro Woche.

Auch an diesem Samstag?

Auch an diesem Samstag. Bei diesen Kundgebungen wollen mittlerweile viele Bürger, nicht nur Künstler, einen aktiven Beitrag leisten. Auch dieses Engagement koordinieren wir, mit anderen zusammen.

Seit wann haben Sie den Stuttgart-21-Auftrag?

Ich habe keinen Auftrag. Ich habe dem Aktionsbündnis im April 2008 meine Unterstützung angeboten, und das wurde gerne angenommen. Seitdem sind wir mit im Boot.

Wer bezahlt Sie?

Niemand. Wir erbringen unsere Leistungen komplett kostenlos. Wir schweben nicht über dieser Protestbewegung, sondern wir sind ein Teil von ihr. Ich mache das aus Überzeugung und gerne, auch wenn es anstrengend und sehr zeitintensiv ist. Wenn ich aber immer mehr Passanten auf der Straße mit dem lindgrünen Logo sehe, weiß ich, dass sich die Mühe lohnt. Den größten Erfolg sehe ich aber woanders.

"Freue mich, wie viel Bewegung in Stuttgart ist"

Nämlich?

Der Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat ein kreatives, kritisches Potenzial in der Stadt geweckt, das bisher mehr im Verborgenen schlummerte. Wenn ich sehe, wie viel Bewegung heute in Stuttgart ist, freue ich mich sehr.

Wie würden Sie Ihr persönliches Ziel beim Stuttgart-21-Protest beschreiben?

Mein Ziel ist, dass die Verantwortlichen in der Politik und bei der Bahn erkennen, dass sie die Wut, die Empörung und die Enttäuschung der Bürger nicht mehr verantworten können und deshalb zum Schluss kommen: Wir unterbrechen die Abbrucharbeiten am Nordflügel des Hauptbahnhofs, lasst uns miteinander reden.

Wen oder was wollen Sie mit Ihren Mitteln am meisten beeinflussen: die öffentliche Meinung, die Politik, die Medien?

Das geht mir alles zu weit. Meine Funktion besteht nicht darin, politische Ziele zu erreichen. Ich wirke nur unterstützend für eine Bewegung, die es auch ohne mich gäbe. Dazu steuern wir Zeichen bei, Symbole, Farben, Events. Das können wir.

Aber die Symbole und Events haben doch auch eine Botschaft. Als Zuschauer oder Zuhörer wird mir ständig mehr oder weniger deutlich vermittelt: Stuttgart21 ist ein Fehler und muss gestoppt werden.

Natürlich hat jede Demo eine Botschaft. Trotzdem formuliere ich mein persönliches Anliegen anders, das ist doch zulässig. Also: Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass Stuttgart eine offene, ehrliche, freie, sympathische Bürgerstadt wird. Wir sind bereits auf einem guten Weg, das wird deutschlandweit beobachtet und bestaunt.

Der akute Konflikt wird kaum noch von Sachargumenten bestimmt, dafür gibt es umso mehr Emotionen. Das dürfte Ihnen als Werbeprofi gefallen. Droht dabei aber nicht die Gefahr, dass die Form wichtiger wird als der Inhalt? Dass man in der Protestbewegung vor lauter Protest aus den Augen verliert, worum es eigentlich geht? Also um einen Bahnhof?

Natürlich dreht sich der Konflikt im Kern um den Stuttgarter Hauptbahnhof. Aber in gewisser Weise ist dieser Streit auch ein Symbol dafür geworden, dass sich viele Bürger nicht mehr an der Nase herumführen lassen wollen. Sie vermissen bei den Verantwortlichen von Stuttgart21 Anstand, Ehrlichkeit und Offenheit. Das sind die großen Themen. Das bewegt die Bürgerschaft. Das sollten die Befürworter von Stuttgart21 nicht ignorieren.

Der Abbruch als Alarmsignal

Das klingt wie eine Warnung.

Das ist es. Ich rate dringend zu einem Moratorium für Stuttgart21, nur das könnte meiner Meinung nach jetzt noch den Druck aus dem Kessel nehmen.

"Endspurt" heißt es in der Ankündigung der Demo an diesem Samstag. Mit solchen Schlagworten erwecken Sie den Eindruck und die Erwartung, dass sich - sofern man nur lange und heftig genug demonstriert - Stuttgart21 noch stoppen lässt. Dieses Versprechen erhöht den Druck im Kessel auch...

Da widerspreche ich. Nur weil jedes Mal mehr Menschen zur Demo kommen, ist das noch keine Eskalation. Wenn alle Bürger kommen, stoppen wir das: So lässt sich zwar verkürzt unser Ansatz formulieren. Aber das ist eine Meinung, kein Versprechen.

Die Projektbetreiber betonen, dass Stuttgart21 über viele Jahre hinweg von den Parlamenten in Bund, Land, Stadt und Region immer wieder beschlossen und von Gerichten bestätigt wurde. Das wollen Sie jetzt in letzter Sekunde mit dem Druck der Straße ändern?

Ich denke, dass ich ein guter Demokrat bin. Zu Ihrer Frage: Hätten all diese politischen Gremien und Gerichte bei ihren jeweiligen Entscheidungen sämtliche Informationen über das Projekt gehabt, die es heute gibt, hätten sie als aufrechte Leute sehr wahrscheinlich anders entschieden.

Ihr Einspruch kommt spät. Der Protest der Massen hat erst Fahrt aufgenommen, als der Abbruch des Nordflügels begann.

Erst der Abbruchbeginn am Bonatz-Bau war das Alarmsignal, das alle verstanden haben. Das stimmt. Aber das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was der Stadt droht, wenn die ersten Bäume im Schlossgarten fallen. Wer, um Himmels willen, soll dafür Verantwortung übernehmen? Wenn hunderttausend hoch emotionalisierte Menschen in den Park strömen, um die Bäume zu schützen? Die Lage ist ernster, als viele meinen.

Gefällt es Ihnen, dass Sie womöglich die Landtagswahl 2011 beeinflussen oder gar mitentscheiden?

Ganz ehrlich, so weit denke ich im Moment nicht. Andernfalls wäre es meine Privatsache. Als Chef einer kleinen Firma und als Stuttgarter Bürger genügt es mir, dass meine Heimatstadt zurzeit in einem bürgerschaftlichen Sinne erstarkt, dass verkrustete Strukturen aufbrechen und es überall positive Veränderung gibt.