In den Bordellen der Stadt gelten nun strengere Vorgabe für Freier, Betreiber und für die Frauen. Bisher aber werden diese noch nicht sehr intensiv kontrolliert. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Es hat gedauert, bis in Stuttgart die Umsetzung des neuen Prostituiertenschutzgesetzes so richtig begonnen hat. Nun soll es aber vorangehen. Die ersten Frauen haben ihre „Hurenausweise“. Und schon drei Freier wurden wegen Verstößen gegen die Kondompflicht angezeigt.

Stuttgart - Prostituierte müssen sich nun beraten lassen und anmelden, Bordellbetreiber werden auf ihre Zuverlässigkeit geprüft und haben Sicherheitsstandards einhalten: Mit dem seit knapp einem Jahr geltenden neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) hat die Politik einige Neuerungen eingeführt. Für viel Heiterkeit sorgte schon im Vorfeld die jetzt für Freier geltende Kondompflicht. Wie, so wurde schmunzelnd gefragt, sollte diese kontrolliert werden? Doch siehe da: Die Kondompflicht zeitig erste Erfolge im Prostituiertenschutz.

„Wir haben drei Anzeigen vorliegen“, sagt Katharina Schwegler. Natürlich weiß die Polizeioberkommissarin vom Arbeitsbereich Prostitution, dass die Beamten die Kondompflicht eigentlich „nicht kontrollieren können“. Doch es gibt Wege, renitenten Freiern auf die Schliche zu kommen. In den drei Fällen waren es Streitigkeiten zwischen den Freiern und den Huren, zu denen die Polizei gerufen wurde. „Dabei kam heraus, dass der Freier kein Kondom benutzt hat“, sagt Katharina Schwegler. In einem Fall hatte sich der Mann vor dem Ende des Oralverkehrs das Kondom heruntergezogen.

„Den Frauen wird der Rücken gestärkt“

Die Polizistin findet das neue Gesetz mit der Kondompflicht gut. „Die Frauen sind darüber froh. Sie wollen, dass Kondome benutzt werden – und das Gesetz stärkt ihnen den Rücken.“ In den Bordellen hängen dazu inzwischen Hinweise. Die Frage ist nun, wie hoch die Strafe dafür ausfällt. Das Gesetz sieht beträchtliche Geldbußen bis zu 50 000 Euro vor. Es müsse eine „empfindliche Geldstrafe“ sein, da das Verhalten nicht „kein Kavaliersdelikt“ sei, findet Oberkommissarin Schwegler.

Das sieht man auch bei der Stadt so, welche die Höhe des Bußgeldes festlegt. „Unter 1000 Euro brauchen wir nicht anzufangen“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter beim städtischen Ordnungsamt. Das Bußgeld werde „auf jeden Fall vierstellig“, betont er, man müsse „den Wink des Gesetzgebers ernst nehmen“. Endgültig entschieden ist das aber noch nicht.

Verwaltung jetzt „weitgehend arbeitsfähig“

Auch sonst ist noch einiges zutun in Stuttgart bei der Umsetzung des Gesetzes. Nun soll es aber zügig vorangehen. Man sei nun „weitgehend arbeitsfähig“, sagt Albrecht Stadler, das Ordnungsamt ist für die Betreiberseite zuständig. So ist jetzt die letzte von drei zusätzlichen Stellen im Ordnungsamt endlich besetzt worden. Das neue Personal wird sich vordringlich um die Bearbeitung der eingegangenen „Erlaubnisanträge“ kümmern.

Laut Polizei gibt es in Stuttgart rund 165 Rotlichtbetriebe, von denen bisher 60 bei der Stadt einen solchen Antrag gestellt haben. Dabei zeigt sich, dass das Verfahren sehr aufwendig ist. „Wir brauchen ein vernünftiges, prüffähiges Konzept“, sagt Albrecht Stadler, was in den meisten Fällen bisher „recht mangelhaft“ sei. So müssen in einem 15-Seiten-Formular etwa die organisatorischen Abläufe in den Rotlichtbetrieben dargestellt werden, die Vertragsstrukturen mit den Frauen, das Notrufsystem, die hygienischen Verhältnisse. Deshalb gehört es derzeit zu den Hauptaufgaben der städtischen Mitarbeiter, eine Anleitung zum Ausfüllen der Anträge zu geben. Auch bei den bisher zehn Kontrollen vor Ort.

60 Anträge von Rotlichtbetrieben

Eine positiv Erfahrung hat der Abteilungsleiter Sicherheit und Ordnung dabei schon gemacht. „Die Betriebe sind nicht unwillig und machen sich auf, die baulichen und rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.“ Dies scheint sogar bei einer jener neuen Auflagen so zu sein, die bei Bordellbetreibern sehr umstritten war und ist: dass die Frauen nicht mehr im sogenannten „Verrichtungszimmer“ wohnen dürfen und eine zusätzliche Bleibe brauchen. So hätten sich einige Billighotels in der Stadt darauf eingestellt, in denen nun vor allem Prostituierte nächtigen. Die Stadt akzeptiert aber auch, wenn ein Bordellbetreiber ein Stockwerk als Wohnbereich für die Frauen abtrennt, dass für diese „ein Hauch von Privatsphäre“ entsteht, so Stadler.

Den Einwand, dass sich die Huren wegen höherer Kosten noch mehr prostituieren müssten, hält der Abteilungsleiter nicht für stichhaltig. So könne man durch das neue Gesetz die finanzielle Belastung der Frauen mit einem „Deckel“ versehen. Wenn ein Bordellbetreiber von diesen mehr als das Doppelte der üblichen Mietsätze verlange, es sich also um eine „sittenwidrige Miete“ handle, könne man dagegen vorgehen.

Vereinzelt steigen Prostituierte aus

Nur: Was ist dem rund 100 Betrieben, die noch gar keinen Antrag bei der Stadt gestellt haben? Albrecht Stadler schätzt, dass darunter etwa Wohnungen seien, in denen Prostituierte alleine oder zu zweien selbstständig tätig seinen und die deshalb nicht unter die Vorgaben des neuen Gesetzes fallen. Und der Abteilungsleiter geht davon aus, dass ein Teil der Betriebe aufgegeben werden. Stadler vermutet: „Die Zahl wird sich deutlich reduzieren.“ Nach anfänglicher Skepsis ist er deshalb inzwischen auch zuversichtlich, dass die Stadt in absehbarer Zeit „die Betriebe und den Markt geordnet bekommt“. Kontrollzahlen würden in nächster Zeit jedenfalls „deutlich steigen“, verspricht Stadler. Erst Erlaubnisse oder Ablehnung werde man aber wohl erst nach der Sommerpause geben.

Derweil hat das Gesundheitsamt, das für die Anmeldung und die damit verbundenen Beratungen der Prostituierten zuständig ist, in der vorigen Woche die ersten „Ausweise“ ausgestellt. Seit voriger Woche sind nun zwei zusätzliche Sozialarbeiterinnen und eine Verwaltungskraft im Einsatz. Bald werden die Anmeldezahlen deutlich steigen, schätzt Margarete Schick-Häberele vom Gesundheitsamt. „Diese Woche haben viele Frauen angerufen und sich einen Termin geben lassen.“ Schon zuvor hatten sich rund 350 Prostituierte gemeldet, mehr als eine Bescheinigung ihrer Bemühung gab es aber nicht. In absehbarer Zeit dürften die Zahlen aber deutlich steigen. Nach den Zahlen der Polizei sind täglich etwa 450 Dirnen in Stuttgart tätig, im ganzen Jahr circa 1400. Wenn eine Frau aber bereits eine Anmeldung aus einem anderen Bundesland hat, wo man zu Teil weiter ist, und dort angegeben hat, dass sie auch in Baden-Württemberg arbeiten will, gilt die Anmeldung auch hierzulande.

Erster Kontakt zum Hilfesystem

In jedem Fall sind die Frauen nun zu zwei Beratungsgesprächen verpflichtet, eines zu Gesundheitsfragen, das andere zu sozialen und rechtlichen Themen. Danach erhalten sie eine Art Anmeldeausweis mit Foto. So dem nicht beispielsweise entgegensteht, dass die Frauen sich in einer Zwangslage befinden. „Das vermuten wir bei vielen Frauen“, sagt Margarete Schick-Häberele. Das aber reiche nicht aus. Es müsse „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür geben. Weshalb es wahrscheinlich kaum Ablehnungen geben wird, wenn die Frauen nicht selbst darüber sprechen, schon gar nicht im Erstgespräch.

Die Sozialarbeiterin, die seit 30 Jahren in der Beratung von Prostituierten tätig ist, hält für entscheidend, dass ein Kontakt zu den Frauen entsteht, ein gewissen vertrauen und dass sie das Hilfesystem der Stadt kennenlernen. Und dass, wie sie sagt, „jetzt alle kommen müssen“: Dominas oder Frauen, die in einem Escort-Service oder in einem Studio für Tantra-Massage tätig sind, genauso wie Straßenprostituierte. „Eben alle, die sexuelle Dienstleistungen anbieten“, sagt die Sozialarbeiterin. Das hat zur Folge, dass vereinzelt Prostituierte schon aufgehört hätten. Es handle sich dabei wohl vor allem um „Gelegenheitsprostituiert“, die sonst ein bürgerliches Leben führen und jetzt Angst haben, dass sie durch die Registrierung auffliegen könnten.

Es fehlen Dolmetscher

Noch läuft auch im Gesundheitsamt noch nicht alles rund. So werden die Beratungen derzeit nur in Deutsch und Englisch angeboten, zum Teil auch auf Spanisch. Ein Dolmetscherdienst steht noch nicht, weil dies nicht einfach ist, denkt man über Videodolmetscher nach. Insgesamt aber ist Margarete Schick-Häberele zuversichtlich: „Wir sind auf einem guten Weg in Stuttgart.“