Noch läuft das Geschäft mit dem Sex in Stuttgart wie gehabt. Durch das neue Gesetz könnte sich dies aber bald ändern. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Mehr als ein Jahr ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Nun zeigen sich erste Effekte, etlichen Bordellen wird in nächster Zeit der Betrieb untersagt werden. Die Fälle landen aber wohl erst einmal vor Gericht.

Stuttgart - Wir suchen neue Standorte und Sie können daran verdienen“, ist auf der Homepage des Bordells in der Innenstadt zu lesen, wenn man über die Fotos der dort tätigen Prostituierten hinweg nach unten auf die Seite scrollt. Der Rotlichtbetrieb hat allen Grund, sich eine neue Bleibe zu suchen, zumindest mittelfristig.

Seit mehr als einem Jahr, seit Sommer 2017, ist das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Lange waren Land und Stadt damit beschäftigt, die Ausführungsbestimmungen zu erlassen und am Ort die Organisation für die neue Aufgabe aufzubauen. Viel hat sich noch nicht getan in Stuttgart. „Es ist noch alles beim Alten“, sagt Steffen Magewski, der Leiter des Arbeitsbereichs Prostitution bei der Polizei.

Von Januar an wird strenger kontrolliert

So sind bei Kontrollen in Rotlichtbetrieben „noch keine Ordnungswidrigkeiten angezeigt worden“, wenn eine Prostituierte keine nun erforderliche Anmeldung vorweisen konnte, so Magewski. Das soll sich aber von Januar an ändern. Allerdings sei es schon jetzt „die Ausnahme“, dass eine in einem Bordell angetroffene Frau „gar nichts vorweisen kann“, keine Anmeldung oder auch keine Bestätigung der Stadt für einen kommenden Beratungstermin. „Und viele Frauen haben Anmeldebescheinigungen von außerhalb, auch aus anderen Bundesländern.“ Nicht ganz glücklich ist der Beamte, dass die Wartezeit für eine Beratung der Prostituierten bei der Stadt noch vier bis sechs Wochen betrage. „Das ist recht lang“, findet Magewski.

In Sachen Kondompflicht hat sich auch nicht viel getan. Im Sommer hatte es vier Anzeigen von Prostituierten gegen Freier gegeben, weil diese nicht bereit waren, beim Sex ein Kondom zu verwenden. „Seither gab es keine neuen Anzeigen mehr“, sagt Steffen Magewski. Da man keine Handhabe für eine Überprüfung habe, müsse man davon ausgehen, „dass die Kondompflicht eingehalten wird“.

Lange Wartezeiten für Prostituierte

Inzwischen ist die Beratungstätigkeit des städtischen Gesundheitsamts angelaufen. Jede Prostituierte muss zwei Pflichtgespräche absolvieren, um eine Anmeldebescheinigung zu bekommen, eines zu allgemeineren Fragen etwa des Hilfesystem, ein zweites zu Thema Gesundheit. Bis zur Jahresmitte sind mit 221 Frauen insgesamt 445 Gespräche geführt worden.

In der Anfangszeit gab es häufig Verständigungsprobleme, weil Frauen aus vielen Ländern, vor allem aber aus Rumänien, Bulgarien und der Dominikanischen Republik in die Beratung kommen. Inzwischen könne man auf Videodolmetscher zurückgreifen, sagt Christine Winzer, die Leiterin des Sozialdienstes für Menschen mit Infektionskrankheiten beim Gesundheitsamt. „Das funktioniert sehr gut.“ Dass noch einiges zutun ist, zeigt schon die Relation von bis zu zehn Beratungen pro Woche bei insgesamt 1686 Prostituierten, welche die Polizei 2017 in Stuttgart registriert hat.

Einige Betriebe haben ihren Antrag zurückgenommen

Ganz entscheidend für die weitere Entwicklung wird sein, wie das Ordnungsamt die von Rotlichtbetrieben eingereichten Anträge auf eine Betriebsgenehmigung beurteilt. Von anfangs 67 Anträgen liegen dem Amt noch 59 vor. Einige seien „zurückgenommen worden“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter beim Ordnungsamt. Für das vergangene Jahr sind in der Polizeistatistik 142 „Prostitutionsobjekte“ in Stuttgart aufgeführt.

Bei den Rücknahmen handelt es sich um eher kleine Betriebe, so etwa um zwei Massagestudios, zwei BDSM-Adressen, wo etwa sadomasochistische Sexualpraktiken angeboten werden, und eine Vermittlungsagentur. Diese Etablissements müssen zu machen. Die Kontrollen, ob dies der Fall ist, sollen bald beginnen, sagt Albrecht Stadler. Man habe erst seit September eine Kraft, die in der Sache ausschließlich im Außendienst tätig sei.

Bisher 48 Betriebskontollen

Die spannendere Frage wird sein, wie es mit den größeren Rotlichtobjekten weitergeht, mit Laufhäusern, Bordellen und Gebäuden mit Terminwohnungen. Nach 48 Betriebskontrollen näherer man sich in vielen Fällen der „Entscheidungsreife“, sagt Stadler. Im oben genannten Fall des Bordells in der Innenstadt soll noch diese Woche der Ablehnungsbescheid ergehen. Das dürfte in den nächsten Wochen und Monaten auch anderen Rotlichtbetrieben so gehen.

Nicht weil diese die Mindestanforderungen nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz nicht erfüllen würden, also etwa ein Notrufsystem, für Frauen und Feier getrennte sanitäre Anlagen oder eigene Wohnbereiche für die Frauen außerhalb des Arbeitsbereichs. „Ganz überwiegend kriegen die das recht schnell hin“, sagt der Abteilungsleiter. Als Schlafmöglichkeit bieten sich offenbar Hotelabsteigen, wo bisher Monteure nächtigten, die so eine neue, feste Kundschaft bekommen.

Hohe Hürde Baurecht

Der größeren Zahl der Betriebe dürfte das Baurecht ein Ende machen. Viele liegen in Bereichen der Stadt, wo sie nach den Vergnügungsstättensatzungen nicht sein dürfen und deshalb baurechtlich nicht genehmigungsfähig sind. Was nicht heißt, dass die Bordelle, wenn ihnen die Betriebserlaubnis versagt wird, gleich schließen müssten. Die Stadt ordnet keinen Sofortvollzug an. Man erwartet, dass die Rotlichtbetreiber Widerspruch gegen die Entscheidungen einlegen, dann kommt die Sache vors Verwaltungsgericht. „Die Frage ist, ob die Verknüpfung mit dem Baurecht vor Gericht hält“, sagt Albrecht Stadler, das müsse man abwarten. Er hofft, dass möglichst bald ein Fall vor dem höchsten Verwaltungsgericht landet und eine „Musterentscheidung“ getroffen wird. Das muss kein Beispiel aus Stuttgart sein, auch andere Städte wie Berlin gehen so vor. Das Ganze kann aber ein paar Jahre dauern.

Derweil wird in der Politik die Forderung laut, dass etwas gegen die Bordellbetriebe getan werden müsse. Aus der Szene kommen Klagen, die Stadt tue „nicht einmal im Ansatz etwas“. Da bekämen Bordellbetreiber ihre Zuverlässigkeit bescheinigt, die aus eigennützigen Gründen den Prostituierten nicht einmal Belege ausstellten für das viele Geld, das sie jeden Monat von diesem bekämen, für ein Zimmer seien das gerne mehr als 3000 Euro im Monat. Die SPD im Gemeinderat hat einen recht scharfen Antrag formuliert, in dem sie fordert, man müsse endlich „restriktive Maßnahmen ergreifen, um illegale Bordellbetriebe zu verbieten und die Armutsprostitution einzudämmen“.