Silvia Vintila und Nora Triantafiludis, Beraterinnen bei Rahab, besuchen als mobiles Team Menschen in der Prostitution. Foto: Andreas Caspar

Der Kreisdiakonieverband Esslingen hat im Jahr 2020 mit „Rahab“ ein kostenfreies Beratungsangebot für die zumeist aus dem Ausland stammenden Prostituierten initiiert. Sie werden über ihre Rechte aufgeklärt.

Prostitution findet mitten in unserer Gesellschaft statt. Nicht nur in den zahlreichen Bordellen und ähnlichen Einrichtungen. Sie sei „ein knallhartes Geschäft“, sagt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbandes Esslingen, in aller Deutlichkeit. Über die aktuelle Lage im Kreis informierte er jüngst bei einem Runden Tisch, an dem Vertreter aus Politik, Verwaltung, Gesellschaft und der Polizei teilnahmen.

Dabei ging es auch um die Frage, wie die Betroffenen geschützt werden können. Denn die meisten Sexarbeiterinnen arbeiten nicht ganz freiwillig in der Prostitution. Sie stammen überwiegend aus dem Ausland, wollen Armut und Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat entfliehen. Sie kommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland, möchten hier Geld für ihre Familie daheim verdienen. Die Realität aber ist häufig anders, der Leidensdruck enorm. Für die Frauen aus dem Milieu hat der Kreisdiakonieverband Anfang 2020 die Fachberatungsstelle „Rahab“ – benannt nach einer schillernden Frauenfigur im Alten Testament – ins Leben gerufen. Viele der Frauen würden nämlich wenig oder nichts über ihre Rechte, Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge oder den Schutz vor Gewalt wissen, sagt Haußmann.

Viel ins private Milieu verlagert

Wie wichtig die Arbeit des mobilen Beraterinnenteams ist, schildern Nora Triantafiludis und Silvia Vintila: Durch „Rahab“ werden im Kreis knapp 50 Sexarbeiterinnen beraten, gut 300 Kontakte pro Jahr gebe es. „Mit der Coronapandemie hat sich vieles ins private Milieu verlagert, wo unsere Klientinnen noch weniger geschützt sind und wir nur schwer an sie herankommen“, beschreibt Triantafiludis die Situation. Es hätten aber auch einige Bordelle im Landkreis wieder offiziell geöffnet. In einigen Etablissements dürften die Beraterinnen die Frauen besuchen. „Manche Bordelle lassen uns jedoch nicht rein“, ergänzt Vintila.

Dennoch ist Haußmann überzeugt: „Es war eine richtige Entscheidung, als Kreisdiakonieverband in dieses Thema einzusteigen.“ Man werde auch weiterhin mit aller Kraft unterwegs sein, betont er. Allerdings sei die wichtige Aufgabe in Frage gestellt, wenn die Förderung des Landes Ende des Jahres ausläuft. Die Folgefinanzierung sei noch nicht geklärt. „Wir hoffen auf finanzielle Mittel aus Politik und Zivilgesellschaft.“

„Nordisches Modell“ im Gespräch

Beim Runden Tisch wurde darüber gesprochen, wie man dem Thema Prostitution im Landkreis begegnen könne. Dabei spiegelte die Diskussion den gegenwärtigen Stand der Meinungen wider. Die einen befürworten weiterhin die Möglichkeit der legalen Prostitution, um dadurch zumindest einen gewissen Zugang ins Milieu zu haben – und damit verbunden ein Mindestmaß an Kontrolle. Andere wiederum sprechen sich für das „Nordische Modell“ aus: In Schweden und Norwegen zum Beispiel besteht ein Sexkaufverbot. Das bedeutet, dass Freier bestraft werden, nicht jedoch Menschen, die sexuelle Dienstleitungen anbieten.