Frauenrechtlerin Alice Schwarzer kritisiert den Beschluss von Amnesty International, die Prostitution zu entkriminalisieren. Foto: dpa

Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht sich gegen Strafen für Prostitution aus – und erntet dafür nicht nur Kritik.

Berlin/Stuttgart - „Geht’s noch?!“ poltert das Frauenmagazin „Emma“ am Mittwoch via Kurznachrichtendienst Twitter. „Der nackte Hohn“, sagt Herausgeberin Alice Schwarzer in einem Interview mit dem Sender „n-tv“. Amnesty wolle Zuhälter schützen, heißt es in einem Artikel auf der Internetseite von „Emma“.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat sich harsche Kritik für ihren Vorstoß, sich künftig weltweit für die Entkriminalisierung von Prostitution stark zu machen, eingefangen. Amnesty-Delegierte aus aller Welt hatten sich am Dienstag auf einer Art Hauptversammlung in Dublin dafür ausgesprochen, sich für die Entkriminalisierung aller Aspekte einvernehmlicher Sexarbeit einzusetzen.

Damit ist die internationale Führung von Amnesty befugt, eine entsprechende Politik zum Umgang mit Prostitution zu entwickeln. Auch die Hilfsorganisation „Solwodi“, die für Opfer von Zwangsprostitution eintritt, übte scharfe Kritik an dem Beschluss der Menschenrechtsorganisation. „Amnesty stellt sich auf die Seite von Zuhältern und Menschenhändlern“, sagte die Gründerin und Frauenrechtlerin Lea Ackermann.

Sara Sikari,Gelegenheitsprostituierte, freut der Vorstoß von Amnesty

Unterstützung gab es vom Deutschen Frauenrat: Der Beschluss sei eine Stärkung für die Frauenrechte, sagte die stellvertretende Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Auch Prostituierte sollten sich darauf verlassen können, dass der Gesetzgeber ihnen ein sicheres, angstfreies Leben ohne gesellschaftliche Ächtung ermöglichen will. Amnesty stärke mit dem neuen Kurs langfristig die Frauenrechte. „Prostitution ist erfahrungsgemäß durch Verbote nicht aus der Welt zu schaffen, vielmehr wird sie dadurch nur mehr in den Untergrund getrieben.“

Sara Sikari arbeitet seit dreieinhalb Jahren in der Branche, als Gelegenheitsprostituierte in Stuttgart und als Escort-Dame in Ulm. „Ich finde es großartig, dass Amnesty sich für uns einsetzt“, sagte sie den Stuttgarter Nachrichten. Es gäbe sonst nur wenige starke Stimmen auf Seite der Prostituierten. Sie findet es mutig von der Organisation, sich so zu positionieren. „Gerade weil in Schweden, Frankreich oder Irland in den vergangenen Jahren immer striktere Gesetze und Verbote erlassen wurden“, so Sikari. Sie freut sich über diese Gegenrichtung.

In Schweden herrscht eines der striktesten Prostitutionsgesetze in der Europäischen Union: Der Verkauf sexueller Dienstleistungen ist hier verboten. Wer zu einer Prostituierten geht, macht sich strafbar.

Aufrufe von Gegnern und Befürwortern

Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty sagte zu dem Beschluss: „Prostituierte sind eine der am meisten vernachlässigten Gruppen in der Welt, die in den meisten Fällen ständig dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind.“

Schon der Entwurf der Amnesty-Empfehlung hatte Kritik hervorgerufen: Prominente wie die US-Schauspiekerinnen Meryl Streep und Kate Winslet hatten einen Aufruf an Amnesty unterstützt, auf den nunmehr vollzogenen Schritt zu verzichten.

Das „Global Network of Sex Work Projects“ (Globales Netzwerk von Sexarbeit-Projekten) hat Amnesty in einer Online-Petition dazu aufgerufen, standhaft zu bleiben. Am frühen Abend unterstützten mehr als 10 000 Menschen diesen Aufruf. Amnesty selbst wies darauf hin, man habe vor der Empfehlung weltweit mit etwa 200 Betroffenen gesprochen. Auch die Polizei wurde in vielen Ländern zu dem Thema befragt.