Prokonschild an einer Hauswand. Heute ist das Unternehmen insolvent Foto: dpa

Am 2. Juli entscheidet die Prokon-Gläubigerversammlung über die Verwertung des Pleite gegangenen Öko-Energie-Pioniers. Ob der Energieversorger EnBW oder eine Energie-Genossenschaft zum Zug kommt, ist offen. Die EnBW startet allerdings eine Charme-Offensive.

Karlsruhe/Itzehoe - Das Tauziehen um den Öko-Energie-Pleitier Prokon geht weiter. Am Freitag hat Deutschlands drittgrößter Energieversorger EnBW sein Gebot für den Anfang 2014 insolvent gegangenen Windkraft-Entwickler weiter präzisiert. „Wir bieten für den Erwerb von Prokon die Summe von 550 Millionen Euro in bar“, sagte EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer in einer Telefonkonferenz am Freitagnachmittag. Alle Gläubigergruppen erhielten daraus „risikofrei und zeitnah eine substanzielle Barzahlung“.

Für die deutliche Mehrheit der Gläubiger – die 75 000 Genussrechteinhaber – betrage die Insolvenzquote 52,2 Prozent, sagte Kusterer. Konkret bedeutet dass, dass Prokon-Gläubiger, die über Genussrechte in Höhe von 10 000 Euro verfügen, 5220 Euro in bar zurückerhalten – sofern die EnBW das Okay für die Übernahme Prokons erhält.

Beim konkurrierenden Genossenschaftsmodell liegt die Insolvenzquote höher – bei 58,9 Prozent. Der Gegenwert in Bar wird in diesem Szenario aber nicht ausgezahlt, sondern zur Aufnahme einer 500 Millionen Euro schweren Anleihe verwendet, mit der Prokon fit für die Zukunft gemacht werden soll. Die Prokon-Gläubiger bleiben also am Unternehmen beteiligt. Allerdings würden Zins und Tilgung der Anleihe dem neuen Unternehmen so viel Kapital entziehen, dass Geld für die Finanzierung des Unternehmenswachstums fehle, argumentiert die EnBW. „Unterm Strich“ würden die Anleger und Gläubiger mit der EnBW besser fahren, sagte Kusterer. Die sich in beiden Szenarien ergebenden Verluste bezeichnete Kusterer als „bittere Tatsache“, die allerdings „unabänderlich“ sei.

Nach Recherchen unserer Zeitung könnte die sogenannte Insolvenzquote für die allermeisten Gläubiger aber noch deutlich sinken. Beide Angebote – sowohl das der EnBW als auch das dem Genossenschaftsmodell zugrunde liegende Angebot – beziehen sich ausschließlich auf das Windkraft- und Stromgeschäft von Prokon, die sogenannte Prokon Regenerative Energien GmbH.

Als das Unternehmen Anfang 2014 insolvent ging, war es allerdings ein Gemischtwarenladen. Neben Windrädern mit gut 500 Megawatt Leistung und einer umfangreichen Projektpipeline sowie Zugang zum Strom-Endkundenmarkt war Prokon nämlich auch im Bereich der Bioöl- beziehungsweise Biodieselproduktion tätig, besaß Wälder, Tankstellen sowie Felder zur Bio-Sprit-Produktion in Tansania, sowie eine eigene Windturbinenfertigung. Außerdem war man in ein Werk zur Paletten-Produktion in Torgau nahe Leipzig eingestiegen, in das Prokon Medienberichten zufolge rund 300 Millionen Euro investierte – gut die Hälfte des heutigen Wertes der Prokon-Windparks.

Dieses Sammelsurium an Aktivitäten ist – soweit noch nicht verkauft – in eigene Abwicklungsgesellschaften ausgegliedert worden und stellt eine erhebliche Unsicherheit für die Prokon-Gläubiger dar. Galt das Kerngeschäft des Unternehmens – Windparks und Stromhandel – nämlich schon lange als intakt, so ist dies bei den Randaktivitäten fraglich. Ob und zu welchem Preis die Insolvenzverwaltung sie losschlagen können ist ungewiss. Für Nachfragen bezüglich des aktuellen Stands des Verkaufsprozesses war eine Vertreterin der Insolvenzverwaltung am Freitag nicht erreichbar.

Klar ist allerdings: Werden die Randaktivitäten nicht losgeschlagen, müssen die Gläubiger sowohl beim EnBW- als auch beim Genossenschaftsangebot mit drastisch reduzierten Auszahlungen rechnen. Die von EnBW in Aussicht gestellte Insolvenzquote beträgt dann nach Unternehmensangaben nicht 52,2 Prozent, sondern 34,1 Prozent. Beim Genossenschaftsmodell 34,5 Prozent. Die Gläubiger würden in diesem Negativ-Szenario also mit nur rund einem Drittel ihres Einsatzes entschädigt.