Helfende Hände werden in der Pflege nicht erst seit Beginn der Coronapandemie dringend benötigt. Social Bee will Geflüchtete in Pflegeberufe bringen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Das Unternehmen Social Bee an der Stuttgarter Rotebühlstraße startet ein Programm, dass Geflüchtete auf eine Arbeit oder eine Ausbildung in der Pflege vorbereiten soll.

S-West - Mensch ist Mensch, sagt der 55-jährige Iraker Faroq Qasim Haje. Er ist einer von 20 Geflüchteten, die an dem Programm „Care Champions“ des Sozialunternehmens Social Bee mit Sitz in Stuttgart an der Rotebühlstraße und in München teilnehmen. Er antwortet mit diesem Satz auf die Frage, ob er Probleme erwartet, ältere Menschen aus einem ganz anderen Kulturkreis zu pflegen. Denn auf eine Arbeit in der Pflege will das Ausbildungsprogramm von Social Bee vorbereiten. Der Iraker erzählt, dass er 30 Jahre lang in der Krankenpflege gearbeitet hat. Er nennt die Pflege einen „humanitären Beruf“.

Omar Fayez von Social Bee muss sich Zeit freischaufeln zwischen seinen Terminen, um über das Programm „Care Champions“ zu sprechen. Der Stuttgarter Standortleiter des Unternehmens Social Bee erzählt, dass er gerade viele Gespräche mit Pflegeträgern führe. Fayez will sie als Partner für das Geflüchteten-Projekt des Unternehmens gewinnen.

Firma setzt auf Zeitarbeit

Social Bee gibt es seit 2015. Als die sogenannte Flüchtlingskrise die Schlagzeilen beherrschte, gründete sich die Leiharbeitsfirma. Das nach eigenen Angaben nicht profitorientierte und von Stiftungen geförderte Unternehmen spezialisierte sich darauf, Geflüchtete mit dem Instrument der Zeitarbeit zu Brot und Lohn zu verhelfen.

Social Bee will nun im Raum Stuttgart ein Programm für Pflegekräfte starten, das Beispiel machen soll. 20 Geflüchtete sollen vier Monate lang die Grundlagen der Pflege, pflegespezifisches Vokabular und für die Arbeit in der Pflege wichtige Sozialkompetenzen erlernen.

Geflüchtete haben Erfahrungen

Der Stuttgarter Standortleiter Fayez erklärt, wie Social Bee die Kandidaten gefunden hat. „Wir haben unter anderem geschaut, wer in der Heimat schon Erfahrungen in der Pflege gemacht oder sich um pflegebedürftige Eltern gekümmert hat“, sagt er.

Die 20 Geflüchteten kämen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, erklärt der Standortleiter. Alle verfügten über Deutschkenntnisse. Ihr Status als Geduldete in Deutschland macht Abschiebungen zwar möglich. „In der Praxis gibt es aber nach 18 Monaten in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis oder beim Antreten einer Ausbildung eine gute langfristige Bleibeperspektive“, sagt Omar Fayez.

Knapp ein Drittel sind Frauen

30 Prozent der Programmteilnehmer seien Frauen, der Rest Männer. „Wir werden mit den Teilnehmern zum Beispiel üben, wie sie mit Stress klarkommen oder auch mit der in Deutschland eher direkt geäußerten Kritik“, sagt er. Die Partner im Raum Stuttgart sollten einen kleinen Teil der Kosten für das Ausbildungsprogramm übernehmen, erläutert Fayez. Außerdem sollten sie bereit sein, den Absolventen entweder eine Ausbildung zu ermöglichen oder sie als Hilfskräfte ohne Ausbildung zu beschäftigen.

Fayez erklärt, dass die Ausbildung der Geflüchteten am 15. März in einem Waldheim beginnen kann. Dort sei das erarbeite Hygienekonzept umsetzbar, erklärt er. Der Start war lange aufgrund der Coronapandemie unklar.

Cem Özdemir übernimmt Schirmherrschaft

Das unter der Schirmherrschaft des Grünen-Politikers Cem Özdemir stehende Programm könne aus Sicht von Social Bee nicht nur Geflüchteten eine Perspektive auf Arbeit in Deutschland bieten, meint der Standortleiter des Unternehmens. Es gebe seit vielen Jahren einen Mangel an Pflegekräften in Deutschland, sagt Fayez. „Es ist bekannt, dass Einrichtungen sich nach Personal im Ausland umschauen – beispielsweise im Kosovo oder auf den Philippinen“, sagt er. „Die Geflüchteten sprechen schon Deutsch und kennen Deutschland.“

Uwe Seibel, Geschäftsführer des Regionalverbands Südwest des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), bewertet das Projekt von Social Bee zurückhaltend. „Jede am Pflegeberuf interessierte und geeignete Person mit den entsprechenden Zugangsvoraussetzungen ist uns herzlich willkommen“, sagt er. Es dürfe aber keine Abkürzungen in den Pflegeberuf geben. Der DBfK Südwest lehne „kurzfristige und nicht systemgerechte Bildungsmaßnahmen ab“, betont er.

Verband fordert bessere Bedingungen

Für Seibel liegt die Lösung für den Fachkräftemangel in Deutschland in einer verbesserten Qualität der Beschäftigung. „Der Mangel an Pflegefachpersonen ist seit Jahren bekannt und hausgemacht. Das wird sich erst ändern, wenn spürbar an den Rahmenbedingungen etwas verbessern wird“, erklärt er.