Investition in die Ladeinfrastruktur: Das neue Netz soll alle 120 Kilometer eine Möglichkeit zum Aufladen bieten. Foto: dpa-Zentralbild

Vom Erfolg der Elektromobilität hängt für die Zukunft der großen deutschen Autohersteller viel ab. Darum haben sie nun das Unternehmen Ionity gegründet: Gemeinsam wollen sie das leistungsstärkste Ladenetz für E-Autos in Europa aufbauen.

Stuttgart - Bei den Stuttgarter Autobauern Porsche und Daimler ist die Erleichterung groß: Die großen deutschen Autohersteller sowie das US-Unternehmen Ford können mit dem Ausbau ihres Schnellladenetzwerkes in Europa beginnen.

Am Freitag haben die Hersteller Daimler, BMW, die VW-Töchter Audi und Porsche sowie Ford bekannt gegeben, dass das Gemeinschaftsunternehmen Ionity mit Sitz in München den Betrieb aufgenommen hat.

„Der Start von Ionity ist der Durchbruch für eine flächendeckende Schnellladeinfrastruktur in Europa“, sagte Porsche-Chef Oliver Blume dieser Zeitung. „Eine funktionierende Ladeinfrastruktur ist die Voraussetzung für die Akzeptanz und weitere Verbreitung von Elektromobilität.“

Während zu Jahresbeginn in Deutschland gerade mal 34 000 Elektroautos auf der Straße unterwegs waren, soll die Elektromobilität von 2019 an auch hierzulande so richtig Fahrt aufnehmen. Dann kommen die reichweitenstarken Modelle der deutschen Hersteller auf die Straße.

In Deutschland gibt es bisher gut 500 Schnellladesäulen

„Ein großes Hindernis für den Kauf eines Elektroautos ist jedoch immer noch die Reichweitenangst der potenziellen Kunden beziehungsweise die geringe Geschwindigkeit, mit der man seine E-Autos wieder aufladen kann“, sagte Wolfgang Klebsch, Experte für Elektromobilität beim Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) am Freitag. „Darum ist das Interesse der Hersteller am Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur so groß, auch wenn sich der reine Betrieb der Ladesäulen zunächst kaum rentieren dürfte“, so Klebsch.

Stand September gab es in Deutschland gut 10 700 öffentlich zugängliche Ladepunkte an 4 730 Ladesäulen, davon sind rund 530 Schnellladesäulen. Für das Jahr 2020 hat die Nationale Plattform für Elektromobilität aber bereits einen Bedarf von 70 000 öffentlichen Ladepunkten und 7100 Schnellladesäulen ermittelt. Damit der Ausbau der Ladeinfrastruktur vorankommt, haben die Autobauer bereits im November 2016 ihre gemeinsamen Pläne für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur bekannt gegeben. Hinter den Kulissen heißt es, dass der Sportwagenbauer Porsche die treibende Kraft bei dem Projekt gewesen sei. Ziel der Autohersteller ist, bis zum Jahr 2020 rund 400 Schnellladesäulen ans Netz zu bringen. „An solchen Stationen kann unser Mission E in 15 Minuten zu 80 Prozent wieder aufgeladen werden“, so Blume. Das entspricht einer Reichweite von 400 Kilometern.

Die Gewerkschaften beobachten die Entwicklungen genau

Vom Erfolg der Elektromobilität hängt im Autoland Baden-Württemberg einiges ab. Dabei geht es um viele Tausend Arbeitsplätze. Aus diesem Grund beobachten auch die Gewerkschaften die Entwicklungen genau. „Die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens Ionity ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall in Baden-Württemberg, dieser Zeitung.

Das alleinige Engagement der Autohersteller reiche aber bei Weitem nicht aus, um eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufzubauen. „Dazu ist insbesondere der Bund gefordert, was mir angesichts der nach wie vor unzureichenden Versorgung mit schnellen Mobilfunk- und Breitbandnetzen in Deutschland große Sorgen bereitet“, so der Gewerkschafter. „Damit Elektromobilität wirklich attraktiv wird, muss die kommende Bundesregierung jetzt zügig in den Aufbau der Ladeinfrastruktur investieren“, forderte Zitzelsberger.

Der Bund hatte bereits im Frühjahr ein Förderprogramm für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Höhe von 300 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Dabei können private Investoren, Städte und Gemeinden die Förderanträge stellen. Bereits genehmigt wurden nach Angaben einer Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums Anträge für mehr als 6000 Ladepunkte. Davon zählen mehr als 5000 zu den Normalladepunkten und rund 920 zu den Schnellladepunkten.

Der Bund fördert den Bau von Ladesäulen

Etwa 27 Millionen Euro habe das Verkehrsministerium im Rahmen des sogenannten Bundesprogramms Ladeinfrastruktur bislang bereitgestellt, so die Sprecherin. Die bisher größten Fördersummen fließen demnach in die Bundesländer Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.

Mit dem Programm der Bundesregierung sollen insgesamt 15 000 neue Ladestationen gebaut werden, davon 5000 Schnellladestationen.Dieses Programm wollen die Autohersteller mit ihren Gemeinschaftsunternehmen ergänzen. An der Spitze von Ionity steht mit Michael Hajesch ein Experte für E-Mobilität aus dem Hause BMW, wie der Verbund an Herstellern nun bekannt gegeben hat. Die Verfügbarkeit eines flächendeckenden Netzwerks aus Schnellladestationen sei für die Marktdurchdringung der Elektromobilität unabdingbar, sagte er. Die Gründung von Ionity bezeichnet er als einen wichtigen Meilenstein, „der zeigt, dass die Automobilhersteller ihre Kräfte dazu bündeln“. Das operative Geschäft betreut Marcus Groll, der zuletzt bei Porsche für das Thema Schnellladen zuständig war. Sitz des Gemeinschaftsunternehmens ist München. Die Zahl der Mitarbeiter soll Anfang 2018 zunächst bei 50 liegen und dann konstant wachsen.

Kartellrechtliche Fragen haben den Start verzögert

Eigentlich hätte das Joint Venture seine Arbeit schon früher aufnehmen sollen. Das Warten auf kartellrechtliche Freigaben aus unterschiedlichen Ländern habe den Start verzögert, sagte eine Daimler-Sprecherin.

Die Hersteller halten aber an ihrem Ziel fest, dass die ersten 20 Ladesäulen noch in diesem Jahr errichtet werden sollen. 2018 sollen es dann bereits mehr als 100 sein. Die ersten Stromtankstellen entstehen demnach in Deutschland, Österreich und Norwegen. Die Hersteller kooperieren dabei mit den Tankstellenbetreibern Tank & Rast, Circle K und OMV.

Jede Station soll über mehrere Ladesäulen verfügen. Die Leistung liegt bei 350 kW pro Ladepunkt. An dem Joint Venture ist jeder der Gründungspartner zu gleichen Teilen beteiligt. Zur Höhe der Investition äußerten sich die Hersteller jedoch nicht. Auch ob öffentliche Fördergelder fließen, ist offenbar noch nicht bekannt.