Mitarbeiter der Stadt am Dienstag dieser Woche auf der Dachterrasse der Rathauskantine – das ist ­vielleicht die schönste Art, bei der Stadt Stuttgart zu essen. Foto: Peter Petsch

Mehr regionale Lebensmittel, mehr Bioware, mehr Gemüse, und das alles noch frischer: Aus den städtischen Küchen sollen künftig qualitativ andere Mittagessen kommen. Eine Projektgruppe arbeitet an Änderungen, die 11.000 Essen pro Tag betreffen werden.

Stuttgart - Ein neuer Projektauftrag genießt zurzeit hohe Priorität im Rathaus. Der Name: „bio-logisch“. Der Auftraggeber: „Oberbürgermeister“. Das Ziel ist eine nachhaltige Essenversorgung im Konzern Stadt Stuttgart – nicht nur in den Personalkantinen, sondern auch in Ganztagsgrundschulen, in Pflegeheimen und im Klinikum, das viele Kindertagesstätten mitversorgt.

Künftig sollen zu 25 Prozent Biolebensmittel in die Töpfe kommen. Eine Projektgruppe mit bis zu 30 Beteiligten soll auch den Weg suchen, um zunehmend Lebensmittel von Stuttgarter Landwirten zu verwenden und mehr Höfe in Stuttgart zu anerkannten Biohöfen zu machen. Damit begünstige man eine umweltschonendere und artgerechtere Produktion – „und eine handwerklich frische, regional ausgerichtete Küche, möglichst frei von Zusatzstoffen und Allergenen, fördert aktiv die betriebliche Gesundheit“, lautet das Kalkül.

Die Einkaufsdebatte war schon früher aufgeflammt. Es bedurfte aber schon eines Winks mit dem Kochlöffel von Fritz Kuhn, damit das Thema nun richtig heiß wurde. Zu oft gebe es noch Bestandteile aus dem Päckchen, hörte man von Fritz Kuhn, zu wenig frisches Gemüse der Saison. Er sollte wissen, wovon er spricht. Fast jeden Werktag reiht sich Kuhn in der Rathauskantine in die Schlange ein, um Essen zu fassen. Er gilt als leidenschaftlicher Hobbykoch. Er hat auch klare Vorstellungen von gesundem Essen.

Eu-weite Ausschreibung könnte nötig werden

Jetzt ist die Verwaltung dabei, die Ernährungslage bei der Stadt flächendeckend zu untersuchen. Wer kocht? Wie und wie viel? Wer liefert die Lebensmittel dafür?

Rund 11.000 Mittagessen kommen täglich aus den Küchen der Stadt und ihres Klinikums, sagt Heiko Killinger, Leiter der städtischen Kantinen im Rathaus und im Schwabenzentrum. Daher könnte man schon an Grenzen stoßen, falls die Bioware komplett aus der Region sein soll. Notfalls müsse der Bioaspekt vielleicht Vorrang haben. Oder man müsse regionale Ware als Ware aus Baden-Württemberg definieren. Schließlich, sagt Killinger, könnte es wegen der großen Bezugsmengen auch passieren, dass eine EU-weite Ausschreibung notwendig wird. Viel ist also noch zu klären, ehe dem Gemeinderat vor den Etatberatungen berichtet wird. „Das ist aber ein spannender Prozess, und es ist gut, dass das Essen so in den Fokus kommt“, sagt Killinger. Es geht um mehrere Aspekte.

Thema Frische: Um sie ist es nach Killingers Meinung gar nicht so schlecht bestellt: „Bei uns ist vieles frisch. Das ist auch preiswerter, als Dosenware oder Tiefkühlkost einzusetzen.“ Das Gemüse komme morgens vom Großmarkt und werde eine halbe Stunde vor Beginn der Essenszeit verarbeitet. Der Gast habe aber nicht immer das Gefühl, dass ihm frische Kost angeboten wird. Das liege daran, dass zubereitetes Gemüse oft einmal eine halbe Stunde warm gehalten werde. Insofern pflichtet Killinger seinem obersten Chef bei: „Wir müssen das Frischethema voranbringen“ – beim Marketing und bei der Kochtechnik.

Thema Halbfertigprodukte: Die Kritiker bemängeln, dass zu viel aus den Päckchen komme. „Die Reduktion der Verwendung von Convenience-Produkten wird angestrebt“, heißt es in der Projektbeschreibung.

Thema Fleisch und vegetarische Kost: Ein „bewussterer Umgang mit dem Fleischanteil in den Gerichten wäre auch ein Gesichtspunkt“, gibt die Projektbeschreibung vor. Sicherlich könne man beim Fleisch reduzieren, meint der Personalratsvorsitzende Uwe Theilen, aber gerade körperlich arbeitende Kollegen wollten weiterhin Fleisch. Es einfach wegzulassen, wäre auch nicht die Lösung, warnt Theilen. Der Rest müsse anders zubereitet werden.

Killinger weist darauf hin, dass neben einem Fleischgericht heute schon ein vegetarisches Gericht und ein Salatgericht offeriert wird. In den Kitas gebe es maximal zweimal pro Woche Fleisch. Die Rathauskantine habe auch schon mal einen „vegetarischen Tag“ angeboten. „Die Resonanz war nicht gut.“ Das ist noch vornehm formuliert. Die Wahrheit ist: Tofubratwurst schreckte viele ab und trieb sie zu nahe gelegenen Imbissen. „Da müssen wir Hausaufgaben machen“, räumt Killinger ein.

Thema Preisgestaltung: Das ist ein Schlachtfeld, auf dem namentlich Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) und Personalrat Markus Freitag die Klingen kreuzten. Vor allem Beschäftigte in unteren Lohngruppen fordern, beim Preis aufzupassen. Bei dem bisher für drei Euro verkauften Essen betrage der Warenwert 1,35 Euro, sagt Uwe Theilen. Da gebe es Luft. Die Stadt dürfe die zu erwartenden Mehrkosten nicht aufs Personal abwälzen. Wölfle meint, der Personalrat müsse umdenken. Wenn man in die Gaststätten in der Umgebung des Rathauses schaue, wisse man, dass die Abwanderung schon begonnen habe – wegen der Qualität, nicht wegen des Preises. Killinger warnt vor der Verengung aufs Preisthema: Erst einmal müsse man die Mehrkosten ermitteln. Da rede man über die Folgen für den Stadthaushalt, noch nicht vom Essenspreis.

Und was sagen externe Experten? Mehr regionale Produkte, meint Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, könne man natürlich befürworten – schon weil sie günstige Effekte für das Energiesparen und das Klima haben können. In Bioware gebe es in der Regel weniger Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und weniger Zusatzstoffe, aber nicht unbedingt mehr Vitamine als in konventionell Produziertem. Besonders wichtig sei ein abwechslungsreicher und ausgewogener Speiseplan, der beispielsweise auch mal Fisch enthält. Nicht einmal Arbeiter bräuchten jeden Tag ein Riesenschnitzel. Die Ernährungsexpertin empfiehlt, preisliche und qualitative Auswahl zu ermöglichen – und Transparenz. Wenn regionale Produkte angeboten werden, müsse erkennbar sein, wo die Nahrung herkommt. Außerdem, ob das ganze Gericht „regional“ oder „bio“ ist.