Die Realschülerinnen Franziska, Sophia, Melissa und Hanna (von links) präsentieren voller Stolz ihr gemeinsames Werk. Foto: Ines Rudel

Sechs Romane in fünf Büchern haben die Schüler der Dr.Engel-Realschule in Eislingen bereits verfasst. In ihrem jüngsten Werk haben sie sich hoch brisanten Themen gestellt.

Eislingen - Die Schule im Kreis Göppingen die die meisten jugendlichen Autoren hervorgebracht hat, wird wohl die Dr.-Engel-Realschule in Eislingen sein. Hier sind seit 2012 sechs Schülerromane veröffentlicht worden, an denen jeweils bis zu 30-köpfige Autorenteams mitgewirkt haben. Allein in diesem Jahr erschienen mit „Rollercoaster“ und „Plötzlich war es still“ zwei Romane, die im Rahmen der Wochen der Vielfalt vorgestellt wurden. Angeleitet wurden die jungen Autoren von den beiden Realschulpädagogen Josef Önder und Dirk Schwarzenbolz.

Schüler schreiben über Flüchtlingsschicksale

„Wir haben uns meist schon auf dem Schulweg über unsere Ideen ausgetauscht und uns dann nachmittags zum Schreiben getroffen“, beschreibt Hanna Damaschke die Umsetzungsphase in ihrem vierköpfigen Team, das zu den insgesamt 30 Autoren aus den neunten und zehnten Klassen gehört. Die Zehntklässlerin hat gemeinsam mit ihrer Schulkameradin Franziska an mehreren Kapiteln des Romans „Und plötzlich war es still. . .“ mitgearbeitet, der am Beispiel einzelner Schicksale den Exodus der Christen, Jesiden und Muslime aus Syrien und dem Irak beschreibt und sich mit den gesellschaftlichen Herausforderungen der Flüchtlingsströme und Terroranschläge in Europa auseinandersetzt.

Für die beiden 15-Jährigen war das kein ganz leichter Stoff, den ihr Lehrer Josef Önder für das aktuelle Buchprojekt ausgewählt hatte, nachdem er im Sommer 2014 bei einem Studienaufenthalt in der Heimat seiner Eltern in der Südosttürkei mit traumatisierten Flüchtlingen in Kontakt gekommen war. „Wir haben daraufhin aufmerksamer die Nachrichten verfolgt und uns im Internet und in der Zeitung informiert“, berichtet Franziska.

Von Aleppo nach Eislingen

Zu dem Buchprojekt kam es, nachdem Önder, der auch Konrektor seiner Schule ist, zurück in Eislingen seine Schüler im Geschichts- und Religionsunterricht für das Romanprojekt begeistern konnte. Anders als bei den bisher erschienen Eislinger Schülerromanen griff Önder hier außerdem auf mehrere externe Koautoren zurück und schrieb selbst das erste Kapitel, in dem der Pädagoge schlaglichtartig das Leben von Christen in der syrischen Stadt Aleppo beschreibt. Die Schüler wie beispielsweise Katharina und Hanna erarbeiteten die Kapitel, die sich mit dem Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland und den Selbstmordattentaten vor dem Pariser Stade de France im November des vergangenen Jahres beschäftigen.

Die Eislinger waren schon zu Gast beim Bundespräsidenten

Für Önder ist es bereits der dritte Roman, den er zusammen mit seinen Schülern erarbeitet hat. Das erste Projekt „Aram und Aurora“, das in zwei Bänden von einer aramäisch-deutschen Freundschaft erzählt, hatte den jugendlichen Autoren sogar eine Einladung in das Bundespräsidialamt in Berlin eingetragen, das dem Buch bescheinigt, es handle sich um „ein Beispiel dafür, wie Lehrerinnen und Lehrer mit guten Ideen Schüler für das Lernen begeistern können“. Und das sogar in der Freizeit, denn Önder wie sein Kollege Schwarzenbolz betonen, dass die Schüler stets freiwillig und immer nach Schulschluss mitgearbeitet hätten. „Und bessere Noten haben wir ihnen auch nicht versprochen“, setzt Schwarzenbolz nach, der im Jahr 2012 mit dem Erstling „Zieh’ Leine, Zigeuner!“ zusammen mit seinen 15 jugendlichen Eislinger Co-Autoren die Idee des Schülerromans aus der Taufe gehoben hatte. Die Mehrarbeit nehme er immer wieder gerne in Kauf, denn bei der Arbeit am Buch werde den Schülern klar, dass sie etwas bewegen könnten. „Auch wenn ihr die Schule verlasst, das Buch bleibt, das ist euer Erfolgserlebnis“, ergänzte die Lehramtsstudentin Maria Kuray, die den jüngsten Roman mit Illustrationen ergänzt hat.

Rund zwei Jahre brauche so ein Buchprojekt, bevor es nach dem Korrekturlesen, und Layouten endlich in den Druck gehen könne, und der Verkaufserlös gehe stets an soziale Projekte. Einige der Titel seien bereits von anderen Schulen als Klassenlektüre angeschafft worden, sagt Önder stolz. Sein größter Traum sei allerdings, dass es einer der Schülerromane bis zur Prüfungslektüre an deutschen Schulen schaffe.

Sechs Romane in fünf Büchern

Titel:
2012 erschienen „Zieh’ Leine, Zigeuner!“ über einen rumänischen Jungen, den es nach Eislingen verschlägt, und der Doppelband „Adam und Aurora“, der ins Türkische, Altaramäische und Englische übersetzt wurde. 2014 folgte mit „Rodeo“ ein Buch über Freundschaft, erste Liebe und Fremdenhass. In diesem Jahr sind erneut zwei Bände erschienen: „Rollercoaster“ schildert die Geschichte zweier Mädchen, deren Leben durch einen schweren Schicksalsschlag eine unerwartete Wendung nimmt, sowie das Flüchtlingsbuch „Und plötzlich war es still“.

Zielgruppe:
Alle Titel sind von Jugendlichen für Jugendliche geschrieben. Erhältlich sind die Bücher im Buchhandel, an der Dr.-Engel-Realschule, das Flüchtlingsbuch auch über den Verein We Are Christians, Karl-Schurz-Straße 55 in Göppingen, der im Nahen Osten verfolgte Christen unterstützt.