Geknickt: Bayern-Innenverteidiger Jérome Boateng Foto: Jan Huebner

Der FC Bayern München will in der Champions League bei Lazio Rom nach schwierigen Wochen die Trendwende schaffen. Die Probleme vor dem Achtelfinal-Hinspiel an diesem Dienstag sind vielschichtig.

Rom/Stuttgart - Miroslav Klose (42) hat den Kopf nicht frei. Er steckt im Lernstress, die Prüfungen für die angehenden Fußballlehrer des DFB stehen an – aber klar, das Spiel des FC Bayern München an diesem Dienstag (21 Uhr) in der Champions League bei Lazio Rom, das ist sein Spiel. Der Rekordtorjäger der DFB-Elf ist seit dieser Saison im Trainerstab von Chefcoach Hansi Flick. Und er trifft nun mit den Bayern, das ist nicht übertrieben, auf seine große Liebe.

 

Beim Achtelfinalgegner Lazio kickte Klose nach seinem Wechsel vom FC Bayern im Jahr 2011 bis zum Karriereende 2016. In 171 Pflichtspielen für die Römer erzielte er 63 Tore. Und, fast noch wichtiger: Der ewige Miro wurde in der Ewigen Stadt nicht nur zum Publikumsliebling, sondern im echten Leben auch zum Mann von Welt. Der einst so schüchterne Bub aus der Pfalz lernte dazu. Neue Kultur, neue Sprache, manchmal auch eine neue Lockerheit: Klose reifte.

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Heute ist der Weltmeister mit der Familie wieder in München daheim – und redete den Bayern-Profis nun vor dem Spiel an diesem Dienstag als Kenner Lazios ins Gewissen, Prüfungsstress hin oder her. „Wir müssen wieder unsere gewohnte Leistung bringen, sonst sind wir kein Favorit“, sagte der Flick-Assistent: „Und wir müssen auf das Umschaltspiel achten, das ist Lazios Stärke.“

Viele Fragezeichen

Nicht nur Spötter allerdings behaupten in diesen Tagen, dass das Umschaltspiel zuletzt noch die Stärke eines jeden Bayern-Gegners war, ob er nun besonders gut im Umschaltspiel ist oder nicht. Denn die Münchner ließen zuletzt erst Arminia Bielefeld beim 3:3 und dann Eintracht Frankfurt beim 1:2 formidabel umschalten und auch sonst einige Dinge gut machen. Weshalb sich die Münchner Reisegruppe mit einigen Fragezeichen im Gepäck auf den Weg nach Rom machte.

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Warum also ist der Rekordmeister nicht in Form? Für den früheren Chef von Hansi Flick ist der Fall klar. Bundestrainer Joachim Löw, der mit dem Assistenten Flick 2014 den WM-Titel holte, sagt: „Bayern hat die gleichen Probleme wie fast alle Spitzenteams in Europa: Viele Spiele, wenig Training, hohe Belastung. Das hinterlässt Spuren.“

Beim Rekordmeister hinterlässt dieser Kreislauf allerdings schon lange Spuren, bereits im Herbst waren die Darbietungen oft müde, der Münchner Spielfilm lief fast immer gleich ab: 0:1-Rückstand, ein fahriger Auftritt, irgendwann aber erfolgte doch das Zusammenreißen und das Ausspielen der individuellen Klasse. Das reichte fast immer zum Sieg – zuletzt aber war das anders.

Flicks Ansage

Weshalb Flick seine Elf vor dem Spiel in Rom in die Pflicht nahm. „Wir wissen, was zuletzt passiert ist“, sagte der Coach: „Die Belastung war sehr hoch, und der eine oder andere Spieler fehlt uns. Aber Champions League sind besondere Spiele für uns.“ Dann sagte Flick am Montagmittag noch einen Satz, der nachhalte: „Da erwarte ich, dass die Mannschaft besonders motiviert ist.“

War sie das also im Alltag Bundesliga zuletzt nicht oder nur bedingt?

Zumindest der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge schien dieser Ansicht zu sein. Nach dem Remis gegen Bielefeld und der Niederlage in Frankfurt gab er dies zum Besten: Fünf Punkte in einer Woche abzugeben, sei „für den FC Bayern ungewöhnlich viel“. Die Mannschaft sei „zu inkonsequent, wir ersparen uns manchmal die letzten Meter“. Und: Man müsse „ein Stück konzentrierter, ein Stück engagierter spielen.“

Stress in Katar

Der Auftritt am Samstag in Frankfurt fügte sich ein in einen Trend, der in den vergangenen beiden Wochen zu sehen war. Erst gab es das mühevolle 1:0 bei Hertha BSC, es folgte die zwar erfolgreiche, aber auch strapaziöse Club-WM-Reise nach Katar.

Dazu kamen noch diverse Corona- und Verletzungsfälle von Thomas Müller über Benjamin Pavard bis hin zu Corentin Tolisso. Dazu gesellten sich die Verletzungen von Serge Gnabry und Douglas Costa, weshalb Flick die Alternativen fehlen – und das auch, weil die Neuzugänge Bouna Sarr, Marc Roca und Eric Maxim Choupo-Moting bei ihren bisherigen Auftritten viel dafür taten, um nicht als echte Alternativen wahrgenommen zu werden.

Die Kernbotschaft

Trotz aller Widrigkeiten betonte Flick am Montag noch, dass er „absolutes Urvertrauen“ in sein Team habe. Was Flick nicht aussprach, aber so oder so ähnlich meinte: Wenn es darauf ankommt, sind meine Jungs wieder da! Jetzt gilt es es, die heiße Phase beginnt, also werden meine Burschen liefern!

Die Ausgangslage für die Bayern jedenfalls ist ja zumindest auf dem Papier eine tolle: Spitzenreiter in der Liga, in der Champions League im Rennen – der Triplesieger hat, bis auf den DFB-Pokal, noch alle Trümpfe in der Hand.

Sportvorstand Hasan Salihamidzic gab sich alle Mühe, vor dem Spiel in Rom eine Aufbruchstimmung zu erzeugen: „Wir haben eine Topmannschaft mit einem überragenden deutschen Kern, dazu internationale Topspieler“, sagte er. Der FC Bayern sei „natürlich“ dazu in der Lage, „die Champions League noch einmal zu gewinnen.“ Und nicht nur das: „Diese Mannschaft ist in der Lage, eine Ära zu prägen.“