Beim nun gestarteten Pariser Autosalon gibt sich Audi mit neuen E-Modellen zukunftsgewandt. Aktuell kämpft der Konzern jedoch mit Problemen beim neuen Verfahren zur Abgasprüfung Foto: dpa

Die Verkaufszahlen bei Audi brechen ein. Zwei Drittel aller Motor-Getriebevarianten können derzeit EU-weit nicht verkauft werden, weil sie noch nicht nach dem neuen Abgas-Prüfstandard WLTP zugelassen sind. Der Autobauer muss sich weiter durchhangeln.

Ingolstadt - Es dauert zwei Nachfragen lang bis Martin Sander mit der bitteren Wahrheit herausrückt. Nur etwa ein Drittel aller derzeit gut 100 beim Ingolstädter Premiumhersteller existierenden Motor-Getriebevarianten seien aktuell nach dem neuen Abgasprüfzyklus mit dem Kürzel WLTP umgestellt und zulassungsfähig, räumt der deutsche Audi-Vertriebsleiter ein. Es werde zudem noch bis Jahresende und damit ein ganzes weiteres Quartal dauern, bis Audi wieder auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb sei und wirklich alle Modelle EU-weit wieder WLTP-zertifiziert in den Vertrieb kommen. Genauere Prognosen traut man sich bei Audi heute nicht. Man müsse von Woche zu Woche sehen. Was sich die Ingolstädter allein in Deutschland eingebrockt haben, zeigt die Zulassungsstatistik für September.

Branchenweite Verwerfungen

Denn seit Anfang dieses Monats dürfen auch hier zu Lande nur solche Autos noch neu zugelassen werden, die den neuen und praxisnäheren Prüfstandstest WLTP durchlaufen haben. Das hat zwar branchenweit für Verwerfungen gesorgt, wie Zahlen des Kraftfahrbundesamts (KBA) belegen. Gut 200 000 Pkw und damit gut 30 Prozent weniger als im Vergleichsmonat des Vorjahres wurden laut KBA im September 2018 bundesweit neu zugelassen. Bei weitem am schlimmsten erwischt hat es dabei aber Audi mit einem Zulassungsrückgang von satten 78 Prozent. Im Durchschnitt des VW-Konzerns waren es ebenfalls bemerkenswerte 62 Prozent, bei Mercedes 21 Prozent und bei BMW gut ein Prozent. Das spiegelt wider, inwiefern die einzelnen Hersteller das WLTP-Problem im Griff haben oder eben nicht.

Obwohl die Zulassungszahlen etwas anderes signalisieren, beharrt Sander darauf, sich intensiv auf die WLTP-Umstellung vorbereitet zu haben, die den Verkauf in der gesamten EU und damit 40 Prozent des globalen Audi-Absatzvolumens betrifft. Er versteht darunter vorgezogene Verkäufe von Januar bis Ende August. Das hat speziell im Juli und August zu einem Strohfeuer im Absatz gesorgt, wobei das teils mit hohen Rabatten erkauft worden ist, kritisieren Branchenkenner. „Die Vorbereitung hat funktioniert“, meint Sander mit Blick auf die Rekordabsatzzahlen bis Ende August. Nun kommt das dicke Ende oder „die nächste WLTP-Phase“, wie Sander sich ausdrückt.

Ein Durchhangeln im Notfallmodus

„Uns stehen schwierige Monate mit schwankenden Auslieferungen bevor“, gesteht der Leiter der Audi-Vertriebsplanung, Alexander Buk. Das Problem schrumpfe nun aber Monat für Monat mit jeder neuen Freigabe eines WLTP-zertifizierten Modells durch das KBA. Wo diese Freigabe absehbar ist, produziert Audi mehr oder weniger auf Verdacht vor. Es ist ein Durchhangeln im Notfallmodus. Mit Audi-Händlern wurde ein Online-Chatroom eingerichtet, um dem Vertrieb so schnell wie möglich sagen zu können, wenn eine neue Motor-Getriebevariante verkaufsfähig ist. Auch eine eigene WLTP-Taskforce zum Krisenmanagement wurde gegründet.

Wenn Kunden ein bestimmtes Audi-Modell kaufen wollen, das aber noch nicht WLTP-zertifiziert ist, werden denen zu günstigen Konditionen Alternativmodelle zur Kurzzeitmiete angeboten, um die Wartezeit zu überbrücken. Zum selben Zweck werden notfalls auch bestehende Leasing-Verträge zu Vorzugskonditionen verlängert, bis das neue Wunschauto verfügbar ist. „Wir haben Maßnahmen ergriffen, die eher unüblich sind,“ meinte Sander. Zu den Kosten dafür schweigt Audi sich aus.

Produktionsbänder stehen teilweise still

„Es ist eine Ausnahmesituation in den nächsten Wochen“, räumt Sander ein. Das schlägt auch auf die Produktion durch. In Ingolstadt stehen auf einer von drei Produktionslinien zumindest noch im Oktober für eine Woche schichtweise die Bänder still, nachdem das schon Anfang des Monats an zwei Tagen so war und Audi den Betriebsurlaub in diesem Sommer WLTP-bedingt zwei Wochen verlängern musste. Auch im Werk Neckarsulm gibt es im Oktober für Modelle wie den A8 bis zu fünf produktionsfreie Tage. Für das Personal bedeute das keine Gehaltseinbußen, weil alles über Arbeitszeitkonten und Zeitgutschriften abgefedert wird, sagen Audi-Manager.

Weil die Verkäufe außerhalb der EU nicht von WLTP betroffen sind und das Geschäft für Audi speziell in China aber auch den USA gut läuft, rechnen die Ingolstädter für den globalen Absatz 2018 noch mit Stagnation bei knapp 1,9 Millionen Verkäufen. Diese Prognose gelte derzeit noch, erklärte ein Audi-Sprecher. So als ob man sich darauf zuverlässig verlassen kann, klingt das nicht.