Der Automarkt ist in den vergangenen Monaten eingebrochen und erholt sich nur langsam. Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Fahrzeughersteller und Händler ächzen unter den Folgen der Coronakrise. Der Markt ist eingebrochen. Doch wer ein Auto kaufen will, muss verwundert feststellen, dass das unter Umständen gar nicht so einfach ist.

Stuttgart - Nachwuchs hat sich eingestellt bei der jungen Familie aus der Stuttgarter Region. Ein freudiges Ereignis, doch das bisherige Auto ist jetzt zu klein. Ein neues soll her. Ohne Schnickschnack, ohne Vorliebe für eine bestimmte Marke. Einfach, was grade auf dem Hof steht. Das kann ja in Coronazeiten, in denen die Branche am Boden liegt und Verkäufe braucht, nicht so schwer sein, denkt sich der frisch gebackene Vater und greift zum Telefon. Bei einem bekannten Stuttgarter Autohaus will er einen Termin für den folgenden Samstag vereinbaren.

Doch was er da zu hören bekommt, ist erstaunlich. „Der Mitarbeiter am Telefon sagte, samstags könne ich nicht kommen. Da sei zu viel los. Ich solle am Dienstag vorsprechen“, erinnert sich der Kunde. Weil er aber eine eigene Praxis im Gesundheitsbereich führt, ist ihm das nicht möglich. „Da hieß es, ich solle halt mal frei machen“, erzählt er kopfschüttelnd.

Das jedoch tut er nicht, sondern geht trotzdem samstags hin. Zwei Fahrzeuge stehen da, die für ihn infrage kommen. „Ich habe zum Verkäufer gesagt, dass ich sofort bezahle und noch nicht mal eine Probefahrt machen will. Er soll mir nur die Schlüssel geben, damit ich mal rein sitzen kann“, sagt er. Einen Schlüssel bekommt er, den anderen müsse man erst suchen, heißt es. Als er später noch mal nachfragt, lässt der Verkäufer über einen Mitarbeiter ausrichten, er habe dafür heute keine Zeit mehr. Konsterniert verlässt der verhinderte Käufer das Autohaus.

Odyssee durch die Autohäuser

Er geht zu einem anderen. Und bekommt dort gesagt, das Fahrzeug, das für ihn infrage komme, sei nicht da. Man könne es auch nicht bestellen. „Auf meine Frage, ob vielleicht in einer anderen Filiale ein entsprechendes Auto steht, hat man mir geantwortet, ich könne ja im Internet selbst suchen“, erinnert sich der Selbstständige.

Das tut er – und wird in Karlsruhe fündig. Einen Termin will man ihm auch dort nicht geben, also fährt er einfach so hin. Das Auto ist tatsächlich da, er will es kaufen. Einen Rabatt gewährt man ihm nicht, auch die Bitte, ihm wenigstens den Tank zu füllen, wird zurückgewiesen. Erst nach einer Intervention beim Chef wird ihm dieser Wunsch doch noch gewährt. „So schlecht kann es der Branche offenbar nicht gehen“, lautet das Fazit des Kunden.

Ein Eindruck, mit dem er nicht alleine steht. Auch ein Stuttgarter Geschäftsmann braucht ein neues Auto. In diesem Fall eher was aus der größeren und teuren Abteilung. Er schreibt verschiedene Autohäuser an mit seinen Vorstellungen. „Antwort bekommen habe ich nur von einem einzigen“, sagt er. „Die anderen haben sich nie gemeldet.“ Anders gelagert ist dagegen der Fall eines Mannes, der ein ganz bestimmtes Fahrzeug sucht – nämlich eines mit Gasantrieb. Auch er klappert zahlreiche Händler verschiedener Marken ab. „Ein Auto kaufen können hätte ich schon“, sagt er. Allerdings nur eines von denen, die vorrätig sind. Davon entspricht aber keins seinen Vorgaben. Eine Bestellung ist mancherorts gar nicht möglich, bei anderen sind die Lieferfristen endlos. Er entscheidet sich schließlich für das Modell, das am schnellsten vor der Tür stehen soll: vier Monate später.

Fahrzeughandel steckt tief in der Krise

Dem Eindruck, die Branche wolle trotz der Krise gar keine Autos verkaufen, tritt man beim Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg entgegen. „Um zu wissen, was vorgefallen ist, müsste man die einzelnen Fälle betrachten. Wir sind sicher, dass keine böse Absicht dahintersteckt, wenn Kunden in Einzelfällen nicht so bedient werden, wie diese es erwarten“, sagt Hauptgeschäftsführer Carsten Beuß. Jedes Autohaus habe gerade jetzt in Zeiten der Krise ein ureigenes Interesse, Kunden optimal zu betreuen und Fahrzeuge zu verkaufen. Allerdings geschieht dies unter erschwerten Bedingungen: „In den Betrieben herrscht besonders im Verkauf vielfach noch Kurzarbeit, die Neuzulassungszahlen sind immer noch erheblich niedriger als im Vorjahreszeitraum. Nicht in Vollzeit verfügbares Personal kann zu Engpässen bei der Beratung führen. Nachfrage und Beratungsangebot werden sich in absehbarer Zeit wieder auf das normale Maß angleichen“, glaubt Beuß. Wer sich nicht gut beraten fühle, dürfe Betriebe mit sachlicher Kritik bedenken. Der Verband selbst nehme jede Kritik ernst und leite sie über seine Kanäle weiter.

Bundesweit haben die Neuzulassungen im April ein Minus von rund zwei Dritteln erfahren, im Mai um die Hälfte und im Juni noch um ein Drittel. Das gilt nicht nur für die privaten, sondern auch für die wichtigen gewerblichen Kunden. Dadurch stehen mehr Neufahrzeuge bei den Händlern als sonst. „Einen genauen Bestand können wir nicht beziffern, aber es ist immer noch ein sehr großer Teil des Kapitals des Autohandels im Neuwagenbestand gebunden, der nur langsam abgebaut wird“, so Beuß.

Besonders gefragte Modelle haben lange Lieferzeiten

Das Problem kann sich paradoxerweise aber auch – wie im Fall des gesuchten Fahrzeugs mit Gasantrieb – ganz anders darstellen. „Bei vielen Herstellern ist die Produktion ausgesetzt oder stark gedrosselt worden. Sie läuft erst wieder an“, weiß Beuß. Auslieferungen verzögern sich, besonders bei bestimmten Modellen mit Elektro- oder Hybridantrieb, die aktuell bestellt werden. Dort greift jetzt der erhöhte Umweltbonus in Kombination mit der Mehrwertsteuersenkung. Es gibt entsprechend viel Nachfrage.

Die betrifft allerdings nur einen kleinen Teilmarkt. Deshalb setzt die Branche weiter auf eine Umstiegsprämie auch für Autos mit sparsamen Verbrennungsmotoren. „Wir hoffen, dass das letzte Wort hierbei noch nicht gesprochen wurde“, sagt Gauß.