Minderjährige Flüchtlinge beim Deutsch-Unterricht: Dass Kinderehen verboten sind, hat sich unter den Betroffenen offenbar herum gesprochen Foto: dpa

Seit etwa 15 Monaten aktzeptiert Deutschland bei minderjährigen Flüchtlingsmädchen keine Kinderehen mehr. Auf dem Papier scheint das Verbot ein Erfolg zu sein, die Praxis aber sieht anders aus.

Stuttgart - Die Zahl der offiziell registrierten Kinderehen ist drastisch gesunken. Ende 2015 zählte das Statische Landesamt in Baden-Württemberg noch 181 verheiratete Kinder, Ende 2017 waren es nur noch 51.

Grund für die Entwicklung, die auch bundesweit zu beobachten ist, dürfte zum einen das Nachlassen des Flüchtlingszustroms sein.Betroffen von Kinderehen sind meist Flüchtlingsmädchen, und vor allem im Jahr der großen Flüchtlingswelle (2015) stieg die Zahl der Kinderehen drastisch an.

Ein weiterer Grund für den Rückgang ist, dass seit Juli 2017 Kinderehen auch dann verboten sind, wenn sie in den Heimatländern auf legalem Weg zustande kamen. Wenn die deutschen Behörden nun davon erfahren, werden solche Ehen aufgehoben. Dies hat sich offenbar unter den Flüchtlingen herumgesprochen.

Aus dem Ehemann wird ein Cousin

„Wir erfahren von solchen Ehen oft nicht mehr, weil die jungen Leute es uns nicht mehr sagen“, heißt es beim Stuttgarter Jugendamt. Im Zweifel würden die Behörden vermutlich angeschwindelt: „Dann wird halt aus dem Ehemann ein Cousin.“

Allerdings waren Kinderehen laut dem Stuttgarter Jugendamt schon vor dem bundesweiten Verbot in der Landeshauptstadt kein großes Problem. Auch weil unter den minderjährigen und unbegleiteten Flüchtlingen nur sehr wenige Mädchen sind, zählte man gerade mal eine handvoll Fälle.

Viele wollen verheiratet bleiben

Seit Inkrafttreten des Verbots müssen die Kommunen im Land Verdachtsfälle ans Regierungspräsidium Tübingen melden. 31 Meldungen hat man dort bislang bekommen. In einem Drittel der Fälle wurde beim Familiengericht die Aufhebung der Ehe beantragt, in einem Fall tat dies sogar das betroffene Mädchen selbst. Meist aber sind die Mädchen inzwischen erwachsen und dürfen somit auf Anfrage des Regierungspräsidiums selbst entscheiden, ob sie verheiratet bleiben wollen. Die meisten sagen Ja.

Dass das Problem durch das Verbot nicht gelöst ist, zeigt auch ein Fall aus Laupheim (Kreis Biberach). Im Februar wurde dort ein 17jähriges Flüchtlingsmädchen von ihrem doppelt so alten Ehemann und ihrem Bruder wegen der Familienehre fast erstochen. Den Behörden war die Kinderehe nicht bekannt.