Göteborg bei Nacht: In Schwedens zweitgrößter Stadt kämpfen kriminelle Banden um die Vorherrschaft. Foto: AFP/Ludovic Marin

Rivalisierende Verbrecher haben in Göteborg Straßensperren mit vermummtem Kontrollpersonal für ihre Reviere aufgestellt. Viele Bürger haben Angst. Die Polizei sagt, sie habe die Lage im Griff.

Stockholm - In Göteborg ist die Polizei derzeit in höchster Alarmbereitschaft. Die Bürger der zweitgrößten schwedischen Stadt werden seit Wochen von dem Konflikt zweier rivalisierender krimineller Banden in Atem gehalten. An einer Tankstelle war es am 12. August zum ersten großen Streit zwischen beiden Gruppen gekommen. Die Männer begannen sich zu schlagen und zu beschießen, weitere Schießereien folgten, man zündete sich gegenseitig die Autos an.

Auf dem Höhepunkt der Kämpfe errichteten die Verbrecher in ihren Revieren Straßensperren mit vermummten und bewaffneten, mit kugelsicheren Westen ausgestatteten „Kontrolleuren“ , die laut schwedischen Medien Autos stoppten und durchsuchten. Kommunale Pflegekräfte und Mitarbeiter des Sozialdiensts wurden mitunter gleich an drei dieser „Grenzübergänge“ aufgehalten.

In einigen Vierteln Göteborgs war es zeitweise gespenstisch leer. Viele Bürger vermieden es, auf die Straßen zu gehen, nachdem die Kriminellen eine regelrechte Ausgangssperre verkündet hatten. Mehrere große Arztpraxen im Nordosten der Stadt stellten Hausbesuche wegen des Bandenkonfliktes ein, um ihre Mitarbeiter zu schützen, schreibt die Zeitung „Göteborgs-Posten“.

Offenbar gibt es in Göteborg Parallelgesellschaften mit eigenen Gesetzen

In der vergangenen Woche trafen sich die Banden im Stadtzentrum in einem Hotel am belebten Hauptbahnhof, um über ein mögliches Friedensabkommen zu verhandeln. Erst ein Großeinsatz der Polizei konnte das Spektakel mit unzähligen Kriminellen auflösen. „Ein Gewaltverbrechen gebiert das nächste. Es ist wichtig, diese Entwicklung frühzeitig zu brechen“, sagte Erik Nord, Polizeichef für den Großraum Göteborg. Die Polizei habe die Situation aber im Griff, unterstrich er. „Wir wissen, was läuft und wissen, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, aber es gibt keine Garantien in diesem System“, versuchte der Polizeichef die Bevölkerung zu beruhigen. Offenbar gibt es in Göteborg Parallelgesellschaften mit eigenen Gesetzen.

Die Mafia-Expertin Johanna Bäckström Lerneby nennt in dem Zusammenhang einen sogenannten Ali-Khan-Clan, der Göteborg dominiere. Dessen Anführer sei ein 63-jähriger Iman, der ursprünglich aus dem Libanon komme. Die Familienmitglieder seien häufig schon mehrfach für Verbrechen bis hin zu Mord vorbestraft. Die Bande habe auch Verzweigungen nach Deutschland, etwa Berlin, behauptet Bäckström Lerneby. Zudem gehe es in dem Konflikt um eine weitere Bande, die sich Backabande nenne. Es gebe aber Anzeichen, dass sich die Banden bald einig würden, sagte die Mafia-Expertin.

In der Hauptstadt Stockholm ist der Drogenmarkt hart umkämpft

Auch in der Hauptstadt Stockholm kam es in der vergangenen Zeit immer wieder zu Schusswaffenwechseln zwischen rivalisierenden Banden. Vor allem der Drogenmarkt ist dort hart umkämpft. Um der Bandenkriminalität mehr entgegenzusetzen, wird in Schweden derzeit die Debatte geführt, ob verurteilte Personen mit Bandenzugehörigkeit doppelt so hohe Strafen erhalten sollten wie Einzeltäter. Das ist so bereits der Fall im benachbarten Dänemark. Auch diskutiert man, inwieweit der bislang geltende Strafrabatt für Personen unter 21 Jahren abgeschafft werden soll. Die Banden setzen aus diesem Grund häufig sehr junge Mitglieder für Morde und andere Verbrechen mit langen Haftstrafen ein.