An gendergerechter Sprache scheiden sich die Geister. Foto: imago images/MiS/via www.imago-images.de

In Ludwigsburg hat sich der Oberbürgermeister für das Gendern ausgesprochen. Die Kritiker stehen schon parat. Gibt es auch Argumente dafür?

In Ludwigsburg sollen Mitarbeiter in der Verwaltung konsequent gendern. Das hat die Rathausspitze unlängst entschieden – und damit direkt die Kritiker auf den Plan gerufen. Drei Fraktionen aus dem Gemeinderat fordern, die Entscheidung rückgängig zu machen. Sie argumentieren mit den Regeln, die der Rat für deutsche Rechtschreibung aufgestellt hat.

Dabei gibt es durchaus auch Argumente, die für den Einsatz von Sternchen, Doppelpunkten oder Unterstrichen sprechen. Zwei Meinungen:

Pro: Nicht zu gendern ist keine Lösung (von Maximilian Kroh)

Eigentlich ist es doch ganz einfach: Eine Behörde wie die Ludwigsburger Stadtverwaltung sollte all ihre Bürger*innen gleich behandeln und gleichermaßen ansprechen. Und dass sich im generischen Maskulinum alle Nicht-Männer einfach mitgemeint fühlen, ist ein Mythos, dazu gibt es mittlerweile Studien zuhauf. Auch die Vorstellung vom binären Geschlechtermodell, das nichts kennt außer Männern und Frauen, ist längst überholt.

Diskussionen übers Gendern sind alt, teilweise langatmig, immer mühselig. Aber sie sind wichtig. Denn Sprache bildet Wirklichkeit ab und muss deshalb auch Mittel und Wege finden, dies in Wort und Schrift zu tun. Das Gendersternchen ist eine einfache Möglichkeit, sprachlich auch die einzuschließen, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren. Diese Menschen gibt es, auch wenn viele Konservative das nicht wahrhaben wollen, und sie werden diskriminiert und marginalisiert. Auch heute noch, auch in Deutschland. Sie in der Sprache zu repräsentieren ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu ihrer Gleichstellung und damit zu Geschlechtergerechtigkeit.

Oder anders gesagt: All jene Gruppen, die Sichtbarkeit besonders dringend bräuchten - also diversgeschlechtliche Menschen wie Non-Binäre oder Intersexuelle - verschluckt das generische Maskulinum einfach. Das Gendersternchen gibt ihnen zumindest einen Bruchteil der Sichtbarkeit zurück. Es signalisiert so auch, dass ihre Geschlechtsidentitäten wahr- und ernstgenommen werden. Natürlich ist es damit längst nicht getan, aber nicht zu gendern ist eben auch keine Lösung. Ein Gendersternchen tut niemandem ernsthaft weh, es „verhunzt“ die deutsche Sprache auch nicht, sondern ist Ausdruck eines Wandels. Nicht nur in der Sprache, auch in der Gesellschaft.

Und selbst wenn Gendern aktuell noch gegen Rechtschreib- und Grammatikregeln verstoßen sollte, ändert das nichts an seiner Notwendigkeit. Es bedeutet nur, dass diese Regeln nicht mehr zeitgemäß sind.

Kontra: Null Sterne fürs Gendern (von Sabine Armbruster)

Es nervt. Egal, ob Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder was auch immer für Geschlechtergerechtigkeit sorgen soll – es macht Kommunikation unnötig kompliziert, weil es den Lese- und Redefluss unterbricht und für Missverständnisse sorgt. Wenn ich irgendwo höre, dass von „Mitarbeiter* innen“ gesprochen wird, frage ich mich immer, ob es auch „Mitarbeiter außen“ gibt. Geschriebene Texte werden durchs Gendern unnötig lang und fast unleserlich. Vor lauter Rücksicht auf mögliche weibliche, männliche oder diverse Befindlichkeiten wird die Rücksicht auf diejenigen vergessen, die nicht gut hören, nicht gut sehen oder nicht gut Deutsch können und für die solche Verkünstellungen eine besondere Herausforderung sind. Konstruktionen wie „Mitarbeitende“ machen das Ganze übrigens nicht besser.

Und warum das alles? Weil manche glauben, mit Sprache das Denken verändern zu können. Abgesehen davon, dass dieser Versuch ein G’schmäckle hat, konnten sich bislang weder Sprachwissenschaftler noch Psychologen in dieser Frage festlegen. Zum Denken, das steht fest, braucht man keine Sprache. Klar ist auch, dass selbst beim Sprechen, Hören und Lesen einer gemeinsamen Sprache in jedem Kopf gedanklich etwas anderes abläuft. Und das Gendern regt leider auch nicht immer zum Nachdenken über die Wortwahl an, wie die Wortschöpfung „Krankenschwesterin“ zeigt.

Und überhaupt: Welch armseliges Licht wirft das Gendern eigentlich auf uns, die wir davon profitieren sollen? Ich bin als Frau selbstbewusst genug zu wissen, dass ich natürlich mit dazu gehöre. Das muss man nicht mit sprachlichen Verrenkungen betonen.

Ja, Sprache ist ständigen Veränderungen unterworfen. Aber sie entwickelt sich in einem evolutionären Prozess, an dem alle teilhaben können und der niemanden bevormundet. Sprachveränderung mit der Brechstange hingegen ist nicht nur eine Verhunzung, sondern schlimmer noch: Sie spaltet, anstatt zu vereinen. Deshalb bekommt Gendern von mir null Sterne.