Macht halt schon auch Spaß: Skifahrenlernen in der Gruppe. Foto: dpa/arifoto UG

Eine Kunstschneepiste inmitten brauner Hänge – so sah das Bild aus Skigebieten in diesem Winter oft aus. Ein Pro und Kontra zu der Frage, ob man mit Kindern heute überhaupt noch guten Gewissens Skifahren gehen sollte.

Eine Kunstschneepiste inmitten brauner Hänge – so sah das Bild aus Skigebieten in diesem Winter oft aus. Für Eltern stellt sich vor dem Hintergrund des Klimawandels und eines nachhaltigen Lebens die Frage, ob sie ihren Kindern überhaupt noch Skifahren beibringen sollen. Eine Redakteurin und ein Redakteur diskutieren das Für und Wider.

Pro: In einer Winterlandschaft lernen Kinder, warum es sich lohnt, die Natur zu schützen, sagt Judith Sägesser.

In der Redaktion hatten alle erwartet, dass von mir das Kontra kommen würde, wenn es darum geht, ob Kinder angesichts der Klimaerwärmung noch Ski fahren lernen sollen. Ich habe kein Auto, fliege nicht und erzeuge Sonnenstrom. Wenn ich nun zugebe, noch nie auf Skiern gestanden zu sein, und das trotz Schweizer Pass, ist die Verwirrung wohl perfekt.

Der Klimawandel verändert den Wintersport, bereits heute, aber erst recht in der Zukunft. Wissenschaftler sagen, nicht sonderlich hoch gelegene Skigebiete, heutzutage einigermaßen rasch erreichbar, werden in Zukunft keinen Schnee mehr haben. Und Schneekanonen seien kein Allheilmittel. Im Jahr 2023 gibt es durchaus noch Tage mit Schnee, wenn auch nicht viele. Und es kann nichts Richtigeres geben, als mit den Kindern in die Natur zu gehen, den Winter zu erleben, sich im Schnee zu wälzen – und wenn es Tradition in der Familie ist, eben auch Ski zu fahren.

Anreise per Zug oder Bus

Mit dem Klimawandel zu leben und mit einem möglichst nachhaltigen Lebensstil noch Schlimmeres zu verhindern bedeutet nicht automatisch, dass wir Dinge gar nicht mehr tun dürfen. Es bedeutet, dass wir Dinge anders tun sollen. Grundlage ist, dass wir die Natur nicht länger unterjochen, sondern sie hegen und pflegen. In einem Skigebiet, das hoffentlich auf Nachhaltigkeit setzt, und mit einer Anreise per Zug oder Bus lernen die Tochter oder der Sohn nicht nur zu wedeln, sondern eben auch, wie schön eine Winterlandschaft ist und warum es sie zu schützen lohnt.

Judith A. Sägesser ist Themenkoordinatorin für Klima und Nachhaltigkeit und stand selbst noch nie auf Skiern.

Kontra: Skifahren ist eine Hypothek für die nächste Generation und vollkommen aus der Zeit gefallen, sagt Holger Gayer.

Es gibt keinen einzigen vernünftigen Grund, Kindern (oder Erwachsenen) das Skifahren beizubringen. Ökologisch betrachtet ist das Wedeln vom Anfängerhang nichts anderes als der Einstieg zur Schussfahrt auf der Streif – und damit vollkommen konträr zu allen Bemühungen, die Berge auch der nächsten Generation als halbwegs intaktes Ökosystem zu übergeben.

Zumal das Problem schon auf der Anfahrt beginnt, die im Idealfall per Omnibus, im schlechteren Fall in der Familienkutsche stattfindet. Dazu gesellen sich auf der Piste ein immenses Verletzungsrisiko und auf der Bergstation ein Hüngerle, das am liebsten mit Pommes gestillt werden soll. Fast Food in 3000 Meter Höhe. Was für eine Perversion. Nein, tut mir leid, Skifahren ist leider vollkommen aus der Zeit gefallen.

Spaß gibt es auch im Wasser

Bleiben zwei Pro-Argumente: die Wirtschaft und der Spaß. Zum ersten: die Wirtschaft. Es stimmt, sowohl der Tourismus als auch die Sportartikelindustrie werden sich neue Betätigungsfelder suchen müssen. Aber Energielieferanten oder Autohersteller stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Jammern und das Gewohnte erhalten wollen helfen allerdings nicht auf dem Weg in eine gute Zukunft. Zum zweiten: der Spaß. Ja, Skifahren macht Spaß. Aber den gibt es auch, wenn der Schnee den Aggregatzustand wechselt und zu Wasser wird. Lasst eure Kinder schwimmen lernen. Dabei können sie sich ebenfalls mit anderen messen – und sich nebenbei vor dem Ertrinken schützen.

Holger Gayer ist Geschäftsführender Redakteur und Genussmensch mit Faible für Sport. Aber nicht um jeden Preis.