Prinz Harry und seine amerikanische Ehefrau Meghan haben sich zum Medienereignis gemacht. Das gefällt zumindest vielen Briten nicht. Foto: dpa/Jonathan Brady

Netflix hat weitere Episoden der mit Spannung erwarteten Doku-Serie „Harry & Meghan“ veröffentlicht. Die Redakteure Tim Höhn und Theresa Schäfer haben sie sich angeschaut – und sind zu völlig unterschiedlicher Einschätzung gekommen.

Am Donnerstag ist der zweite Teil der Dokuserie „Harry & Meghan“ bei Netflix gestartet. Wir haben uns die Serie angeschaut – und kommen zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen: Offenbart die Serie die Abgründe im britischen Königshaus? Oder ist sie einfach nur langweilig?

 

Tim Höhn: Die Serie ist pathetisch, aber absolut glaubwürdig

Ja, die Serie ist auf Hochglanz poliert. Ja, ist völlig einseitig das Ganze. Ja, manchmal möchte man sich angesichts all der Romantik und Verliebtheit der royalen Turteltauben am liebsten Stroh-Rum in den Earl Grey kippen, um sich endlich übergeben zu können. Ja, ja, klar doch. Aber: Was hat man denn erwartet? Und noch wichtiger die Frage: Was sollen die Beiden denn machen?

Es steht außer Frage, dass Harry und Meghan Opfer sind. Dass sie am Ende in Britannien kaum noch eine Chance hatten, mit ihrer Sicht auf die Ereignisse gehört zu werden. Keine Chance gegen den Hass, weil Harry sich von der Monarchie entfremdet und gewagt hat, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Gegen den Hass, weil eine Amerikanerin den Briten den Prinzen entrissen hat. Und ja, auch gegen den Hass, weil diese Amerikanerin eine Schwarze ist.

„Harry und Meghan haben das Recht, ihre Version zu erzählen“

Harry schildert in der Doku zwar sehr pathetisch, aber absolut glaubwürdig, wie sehr ihn der Tod seiner Mutter traumatisiert hat, die gnadenlose Presse, die Paparazzi, die völlige Abwesenheit von Privatsphäre. Er hat sich dieses Leben nie ausgesucht, und seine Story ist stringent, vor Gericht würde man sagen: Er zeigt keine Belastungstendenz. Meghan hat sich freiwillig in den königlichen Wahnsinn begeben, und viele sagen, sie wusste was sie da tat. Aber ist das überhaupt möglich? Kann man sich auf so etwas wie die britische Klatschpresse und die anachronistischen Rituale und Regeln der Royals vorbereiten? Eher nicht.

Wenn man all das abzieht, den peinlichen emotionalen Exhibitionismus, das Selbstreferenzielle und die gigantische Gage, die Meghan und Harry für die Doku eingestrichen haben sollen, dann bleibt: Die beiden haben jedes Recht, die größtmögliche mediale Bühne zu nutzen, um ihre Seite der Geschichte zu erzählen. Es mag nicht alles hundertprozentig ausgewogen sein, was sie erzählen. Aber wahrhaftiger als das, was über Harry und Meghan an Schmutz ausgekübelt wurde, ist diese Doku allemal.

Theresa Schäfer: Man möchte vor Ärger in den Fernseher brüllen

Manchmal ist es dann doch zu absurd: Zum Beispiel, wenn Meghan im Film behauptet, sie habe sich nicht getraut, bunte Farben zu tragen, um nicht mit Queen Elizabeth II. (zu Lebzeiten für ihre farbenfrohe Garderobe bekannt) in Konkurrenz zu treten. Da fragt man sich dann doch: Gibt es etwas, über das sich Prinz Harry und Herzogin Meghan nicht beschweren? Und möchte vor Ärger in den Fernseher brüllen.

Aber es hilft ja nichts: Meghan und Harry, das macht die gleichnamige Netflix-Sendung sehr klar, erzählen ihre Version der Wahrheit – und was die ist, bestimmen sie. Schließlich – so finden der Königssohn und seine Frau – haben viel zu lange die Medien und die „Institution“ das Heft in der Hand gehalten.

Dass sie, die doch immer betonten, der „Megxit“ 2020 sei auch ein Entschluss für mehr Privatsphäre gewesen, aus genau dieser Privatsphäre mehr zeigen als jeder andere Royal vor ihnen (Chatverläufe, Kinderbilder, sogar den kurzen Moment vor ihrer Verlobung), ist befremdlich.

„Warum sie sich freiwillig das antun, ist unbegreiflich“

Befremdlich ist auch, einem eigentlich doch auf die Sonnenseite des Lebens gefallenen Paar dabei zuzusehen, wie es sein Leben in eine einzige Folge von Zumutungen umdeutet. Natürlich hat der tragische Tod seiner Mutter, bei dem Paparazzi eine unrühmliche Rolle spielten, den damals zwölfjährigen Prinzen traumatisiert. Dass der Junge dann, statt privat trauern zu dürfen, selbst Hände schütteln, Blumen entgegennehmen und eine hysterische Öffentlichkeit trösten musste, ist im Rückblick kaum zu fassen. Natürlich ist Meghan, die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, Opfer von Rassismus gewesen. Es ist bestürzend zu hören, dass sie in ihrer Zeit im Palast auch suizidale Gedanken hatte.

Eigentlich haben sich die Sussexes aus dem Unternehmen Königshaus zurückgezogen, um sich zu schützen. Warum sie sich jetzt freiwillig das antun und mehr Öffentlichkeit herstellen denn je, ist unbegreiflich. Oder sollte das etwas mit der angeblich sehr hohen Summe zu tun haben, die Netflix ihnen zahlt?