Kinderbetreuung erfordert Fachkräfte. Doch nicht zwingend müssen es Erzieher sein. Foto: dpa

Der private Kitaträger Konzept-e nutzt die Ausweitung des Fachkräftekatalogs offensiv zur Personalgewinnung. Somit können dort alle Kitaplätze besetzt werden. Zudem profitierten die Einrichtungen von Künstlern, Musikern, Geisteswissenschaftlern oder Sportlern.

Stuttgart - Wie kann es gelingen, genügend Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen? Diese Frage beschäftigt öffentliche wie private Träger zunehmend. Allein beim städtischen Träger sind 200 Erzieherstellen nicht besetzt, was zur Folge hat, dass mehrere hundert vorhandene Kitaplätze nicht belegt werden können. Ohnehin fehlen in Stuttgart mehr als 3000 Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren. „Gute Fachkräfte sind fast nicht zu finden“, weiß man auch beim privaten Kitaträger Konzept-e. Dieser setzt seit einiger Zeit auf Quereinsteiger – nach eigenen Aussagen mit Erfolg. „Bis September war die Situation so gut, dass bei uns keine Plätze blockiert waren“, berichtet Waltraud Weegmann, die Geschäftsführerin vom Konzept-e-Netzwerk. Dieses betreibt 42 Einrichtungen mit insgesamt 2500 Kitaplätzen, davon knapp die Hälfte in der Landeshauptstadt und in der Region.

„Wir haben alle Kitaplätze besetzt“, sagt Weegmann. Möglich sei dies zum einen durch einen relativ hohen Anteil von 131 Teilnehmern an der praxisintegrierten Erzieherausbildung (Pia). Zum anderen aber auch durch die hohe Zahl an Quereinsteigern beim Personal: 48 seien es, bei insgesamt 600 Stellen. Von den Quereinsteigern würden 43 über die Ausnahmeregelung zur Fachkraft qualifiziert. Das heißt, diese Leute arbeiten meist in Vollzeit in den Einrichtungen mit und werden nebenher, also berufsbegleitend, in 1200 Stunden in Pädagogik geschult. Ein Drittel dieser Leute absolviere die Schulfremdenprüfung für Jugend- und Heimerzieher. Insgesamt handelt es sich laut Weegmann bei den Quereinsteigern um sechs Sozialwissenschaftler, drei Pädagogen mit ausländischem Abschluss, sechs Betriebswirtschaftler, sieben Geisteswissenschaftler und je sieben aus den Bereichen Kunst und Sport sowie zehn aus dem sogenannten Mint-Bereich, einer Kombination von Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. „Die pädagogische Voraussetzungen, die er oder sie mitbringt werden angerechnet.“ Natürlich müssten diese auch ein Händchen für den Umgang mit kleinen Kindern mitbringen.

Privater Träger setzt 20 Prozent Quereinsteiger als Zielmarke für jede Kita

Ein besonderer Effekt habe sich bereits herausgestellt: „Wir sprechen Männer besonders an.“ Diese machten ein Drittel der Quereinsteiger aus. Zusätzlich qualifiziere man selber 32 Mitarbeiter nach, die laut dem 2013 geänderten Kindertagesbetreuungsgesetz ebenfalls als Fachkräfte eingesetzt werden dürfen: Kinderkrankenpfleger, Lehrer, Ergotherapeuten, Logopäden, Familienpflegerin, Physiotherapeutin. Ganz bewusst setze man darauf, Menschen mit unterschiedlichen Berufen in den Kitas einzusetzen. „Wir arbeiten eng mit dem Arbeitsamt zusammen – die wissen, dass wir Quereinsteiger nehmen“, sagt Weegmann. „Das macht die Teams bunter.“ Sie betont: „Kein anderer Träger nimmt so offensiv Quereinsteiger.“ Dabei ist die Zielmarke noch nicht erreicht: Demnach will der Träger, dass jede Kita im Umfang von 20 Prozent „sonstige Fachkräfte“ beschäftigt. Insbesondere sollen diese in den Bereichen Sport, Theater, Kunst, Musik und Mint eingesetzt werden.

Weegmann nennt auch die Gründe für diese Strategie: „Die Quereinsteiger bringen Lebenserfahrung mit und sie stabilisieren so ein Kita-Team bedeutend.“ Bei Konzept-e seien diese zwischen 30 und 50 Jahre alt. Und jeder und jede von ihnen „muss was können, was für die Kita gut und spannend ist – und er oder sie muss Einfühlungsvermögen haben“. Pädagogisch auf Vordermann gebracht würden sie von einer früheren Lehrerin für Chemie, Bio und Sport sowie von je einem Kunst- und Sportpädagogen. Mit einer besonderen Bezahlung lockt der Träger die Beschäftigten nicht, denn die lehne sich an den öffentlichen Tarif an. Allerdings bekommen Mitarbeiter bei Bedarf nicht nur einen firmeneigenen Kitaplatz, sondern müssen dafür auch weniger bezahlen, zudem gibt es unter anderem als Bonbons einen Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge, ein VVS-Firmenticket und die kostengünstige Nutzung eines Fitness-Studios.

Kommunalverband befürwortet Einsatz gemischter Kita-Teams

Im Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) wird der Einsatz von Quereinsteigern befürwortet: „Kitas profitieren von gemischten Teams, das bereichert sie“, sagt KVJS-Sprecherin Kristina Reisinger. Zugleich helfe das den Kommunen, die aufgrund des raschen Ausbaus der Kitas auf die Gewinnung weiterer Fachkräfte angewiesen seien.

Einer Studie zufolge, die die Evangelische Hochschule Freiburg im Auftrag des Kultusministeriums durchgeführt hat, können sich multiprofessionelle Kita-Teams bewähren, sofern genügend Zeit für Team-Besprechungen sei. Die Wissenschaftler empfehlen, die Quereinsteiger vor allem in der Einstiegsphase ausreichend zu coachen und ihre speziellen Kompetenzen in die Team- und Qualitätsentwicklung einzubinden. Entscheidend für das Gelingen solcher Teams sei auch eine große Innovationsbereitschaft der Kitaleitung. Diese solle zudem theoretisches Wissen und breite pädagogische Erfahrung gleichermaßen anerkennen.

Beim städtischen Träger der Kindertagesstätten sind hingegen nur rund 75 Fachkräfte tätig, die aus anderen Berufen kommen, etwa Ergotherapeutinnen, Logopädinnen oder Hebammen: „Wir begrüßen deshalb die Ausweitung des Fachkräftekatalogs“, sagt Jugendamtsvize Heinrich Korn. Dazu kämen rund 30 Küchenkräfte. „Die haben wir jahrelang auch im Frühdienst eingesetzt“, berichtet er. Doch dies lasse das Gesetz nicht mehr zu. In einer einmaligen Aktion habe man mit diesen ein Qualifizierungsprogramm gemacht. Völlig fachfremde Quereinsteiger erhielten eine Pia-Ausbildung. „Wir wollen die Qualität nicht dem Fachkräftemangel opfern“, sagt Korn. Bei der Betreuung von Schulkindern würden jedoch zum Teil auch interdisziplinäre Teams arbeiten, etwa Musik-, Sport- oder Theaterpädagogen. Mit ihnen habe man gute Erfahrungen gemacht.

Stadt hat Küchenkräfte nach langem Frühdiensteinsatz nachqualifiziert