Judith Mühlbach und Felix Bohne bedauern, dass sie die beiden Bänke, die jahrelang auf dem Gehweg standen Foto: Kathrin Wesely

Die Privatbänke vor dem Laden von Felix Bohne in der Stuttgarter Liststraße müssen weg. Dabei waren sie über Jahre ein Treffpunkt für die Nachbarschaft im Lehenviertel. Ist das im Sinne der Allgemeinheit? Oder ist das ein Akt kalter Bürokratie?

S-Süd - Sie wollten einfach bloß sitzen, und dann kam das Ordnungsamt und zog ihnen die Bänke weg. So lautet die Kurzversion der Sitzbank-Geschichte, die derzeit im Lehenviertel die Runde macht. Im Schaufenster von Felix Bohnes Laden hängt ein Schreiben vom Amt für Öffentliche Ordnung, das die Echtheit der Geschichte belegt: „Uns wurde mitgeteilt, dass Sie vor dem Gebäude Liststraße 20 Sitzbänke im öffentlichen Verkehrsraum aufstellen.“ Bohne wird aufgefordert, diese „unverzüglich“ fortzuräumen. Der Gehweg gehöre zum öffentlichen Verkehrsraum, und dort hätten private Gegenstände nichts verloren. Jetzt stehen die handgeschreinerten Sitzbalken in Bohnes Hinterhof; er findet das schade.

Nachbarn kennenlernen

„Viele Nachbarn haben die Bänkchen gemocht, manche haben hier Pause gemacht oder gevespert. Und während des Lockdowns lag hier tagelang eine Frau auf der Bank, die gelesen hat“, erzählt Bohne. Abends gab es häufiger nachbarschaftliche Stelldicheins. „Das ging auch mal bis 22 Uhr und war nicht immer ganz leise“, gesteht Bohne. Offenbar hat das Nachbarn gestört, weshalb ein paar mal die Polizei vorbeikam und um Ruhe bat.

Judith Mühlbach berichtet, sie habe dank der Bänke, die schon seit Jahren standen, die Nachbarschaft erst kennen gelernt: „Das war so ein Treffpunkt, der sich eingebürgert hat. Man kam abends zusammen, brachte sich etwas zum Trinken mit, und die Kinder spielten derweil alle im Hinterhof.“ Das habe Geborgenheit geschaffen, ein Zugehörigkeitsgefühl. „Ich war begeistert, dass das alles so einfach möglich ist in einer Großstadt wie Stuttgart. Aus München, wo ich herkomme, kannte ich so etwas nicht.“

Mopeds ja, Bänke nein

Auch Bezirksvorsteher Raiko Grieb erstaunt das Vorgehen der Stadt: „Motorräder auf dem Gehweg werden toleriert, Sitzbänke nicht. Das ist für mich nicht nachvollziehbar“, bemerkte er in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats. Felix Bohne teilt diese Ansicht und findet überdies: Es passt nicht zu einer modernen Stadtgesellschaft, ein gutes nachbarschaftliches Miteinander auf diese Weise zu torpedieren. Judith Mühlbach ist inzwischen aktiv geworden und hat das Ordnungsamt mit der Bitte angeschrieben, die Entscheidung zu überdenken: „Sollen tatsächlich alle Sitzgelegenheiten im Lehenviertel verbannt werden? Was ist damit gewonnen in einer Zeit, in der wir doch andere Sorgen haben sollten, als uns der Möglichkeit zu berauben, uns an der frischen Luft auszutauschen?“

Keine privaten Oasen

Grundsätzlich sei die Stadt gegenüber nachbarschaftlichen Projekten aufgeschlossen, hebt Andrea Kolbe von der Straßenverkehrsbehörde an: Bei Projekten, die genehmigt, geregelt und offenkundig für die Allgemeinheit gedacht seien, sei man dabei. Kolbe nennt als Beispiele die Parkletts und die der Wanderbaumallee, die übrigens just vor Felix Bohnes Laden halt gemacht hat. „Aber wir unterstützen es nicht, wenn Leute auf dem Gehweg ihre private Oase einrichten. Da ist ja auch nicht klar: Darf ich mich da überhaupt hinsetzen?“ Wer im öffentlichen Raum etwas aufstellen wolle, solle den Weg über den Bezirksbeirat nehmen, sein Projekt dem Gremium vorstellen und es offiziell genehmigen lassen. Das berge auch Vorteile: „Wenn wir etwas genehmigen, dann regeln wir auch die Probleme – etwa mit dem Lärmschutz.“ Und die Sache mit dem Motorrad, das man unbehelligt auf dem Trottoir parken darf? „Da sind wir dran. Das wird in Zukunft nicht mehr so laufen.“ Es stünden mittlerweile zu viele Gefährte auf den Gehwegen, als dass man das einfach dulden könne.