Eine Krankenschwester hält die Hand einer alten Dame. Foto: dpa

Mehr als 100.000 teil- und vollstationäre Pflegeplätze gibt es im Land: Bisher reicht das aus.

Stuttgart - Die Angehörigen von Pflegebedürftigen benötigen nach Ansicht von Sozialministerin Katrin Altpeter zunehmend eine Art Dienstleistungsbaukasten. „Da die Menschen am liebsten zu Hause gepflegt werden möchten, müssen häusliche Pflegearrangements durch einen Mix aus bürgerlichem Engagement, professionellen Diensten und Unterstützungsangeboten im Wohnumfeld ermöglicht werden“, sagte die SPD-Politikerin in Stuttgart.

Den Ausbau der ambulanten Pflegeinfrastruktur hält sie deshalb für den „Schlüssel“, um veränderten Familienstrukturen und einer wachsenden Mobilität von Angehörigen zu begegnen. Bisher übernähmen die Pflegerolle noch häufig Töchter oder Schwiegertöchter, so die SPD-Politikerin, die gelernte Lehrerin für Pflegeberufe ist. Doch das werde sich ändern.

Rund zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden derzeit noch zu Hause versorgt, allerdings nur 20 Prozent auch mit Hilfe ambulanter Pflegedienste. Die Statistiker gehen davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen, die zwar Pflegegeld erhalten, aber ausschließlich durch ihre Angehörigen versorgt werden, lediglich um 31 Prozent zunimmt. Es kommt also offenbar immer seltener vor, dass sich Angehörige um einen Menschen kümmern, ohne auf externe Hilfe zurückzugreifen.

Immer mehr Menschen pflegebedürftig

Insgesamt ist in Baden-Württemberg zwischen den Jahren 2009 und 2030 mit einem Anstieg der pflegebedürftigen Menschen um 43 Prozent zu rechnen. Der Anteil der vollstationär Untergebrachten nimmt um 54 Prozent von 84.019 auf fast 130.000 zu. Die Zahl der ambulant Gepflegten wächst von 49.650 auf rund 76.000, das ist ein Plus von 52 Prozent.

Dass immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, liegt vor allem an der alternden Bevölkerung. Lag das Durchschnittsalter der Baden-Württemberger 1970 noch bei unter 35 Jahren, so beträgt es heute 43 Jahre – eine Folge der seither gesunkenen Geburtenrate.

2,1 Kinder je Frau wären für die Bestandserhaltung der Bevölkerung notwendig, rechnete Carmina Brenner vor, die Präsidentin des Statistischen Landesamts. Seit vielen Jahren liegt die Geburtenrate jedoch konstant bei 1,4.

Wären nicht so viele Menschen zugezogen, hätte der Südwesten heute nicht knapp elf, sondern lediglich 8,7 Millionen Einwohner. Brenner: „Ohne die Zuwanderung läge das Durchschnittsalter auch nicht bei knapp 43, sondern sogar bei über 45 Jahren.“ Denn die rund 1,5 Millionen Menschen, die unter dem Strich seit 1970 ins Land gekommen sind, waren und sind im Schnitt etwa zehn Jahre jünger als die einheimische Bevölkerung.

Deutlich schärfere Noten gefordert

Unterdessen hat die Techniker-Krankenkasse (TK) eine schärfere Benotung der Heime gefordert. Zwar sei die Pflege im bundesweiten Vergleich auf einem hohen Qualitätsniveau, wie die aktuellen Noten von 1,1 im stationären und 1,4 im ambulanten Bereich belegten. Dennoch müsse das System der Pflegenoten stark verbessert werden.

„Im Interesse der Pflegebedürftigen und Angehörigen sind deutlich schärfere Noten erforderlich, um die Qualitätsunterschiede klar erkennbar zu machen“, erklärte Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvertretung.

Die Gewichtung bestimmter Kriterien – so etwa die Frage, wie man dem wund Liegen oder dem Stürzen vorbeugt – müsse verändert werden. „Die Qualität der Sturzprophylaxe muss einen anderen Stellenwert haben als die Frage, ob der Speiseplan gut lesbar ist“, so Vogt.

Pflegemängel bei 99 Patienten

Sozialministerin Altpeter äußerte ebenfalls Zweifel an der Aussagekraft der aus mehreren Dutzend Einzelnoten zusammengesetzten Gesamtnote für ein Pflegeheim. „Es stellt sich die Frage, ob man nicht besser einzelne Kriterien beschreibt.“

Im vergangenen Jahr hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung im Südwesten 1127 Pflegeheime und 876 ambulante Pflegedienste unter die Lupe genommen. Dabei wurden insgesamt 13.000 Patienten begutachtet. Laut Vogt stellten die Mediziner bei 99 Patienten Pflegemängel fest. Am schlechtesten bewertet wurde die „systematische Schmerzeinschätzung“. Jedes siebte Heim erhielt hierbei die Note vier oder schlechter.

Im ambulanten Bereich wurde bemängelt, dass nur wenige Pflegedienste ihre Mitarbeiter fortbilden. Auch informierten nicht alle ihre Kunden vorab über Leitungen, Preise und den zu zahlenden Eigenanteil. Nur acht von zehn Heimen böten einen solchen Kostenvoranschlag.