Prinz Charles und seine Frau, Herzogin Camilla, bei einer Gartenparty im Buckingham Palace. Foto: AFP/JONATHAN BRADY

Die Queen zieht sich mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben zurück. An ihre Stelle tritt ihr Sohn und Thronfolger, Prinz Charles. In Großbritannien wird spekuliert, ob der Hof eine sogenannte „Regency“ in Erwägung zieht.

„Der Thronfolger steht kurz davor, de facto Prinzregent zu werden.“ Wenn Peter Hunt es sagt, muss etwas dran sein, schließlich war er lange Zeit Royal-Kommentator der BBC. Sein Statement bezog sich darauf, dass Prinz Charles am Dienstag das britische Parlament eröffnete – als Vertretung seiner Mutter, Queen Elizabeth II.

Es war beileibe nicht das erste Mal, dass Charles seiner betagten Mutter öffentliche Termine abnimmt. Aber noch nie war es ein so offizieller. Das „State Opening of Parliament“ ist der Inbegriff der uralten konstitutionellen Monarchie in Großbritannien: Die „Queen’s Speech“, die die Königin im vollen Ornat und auf einem Thron im britischen Oberhaus verliest, sind nicht ihre eigenen Worte, sondern die Regierungserklärung des jeweiligen Premierministers. Die Tradition macht sehr deutlich, wer die politische Macht im Staate hat. Sie macht aber auch klar, wie wichtig die Monarchin in diesem Konstrukt ist.

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Prinz Charles trug am Dienstag Galauniform, die schwere „Imperial State Crown“ der Queen thronte ganz in seiner Nähe auf einem Samtkissen. Ins Oberhaus wurde er begleitet von seiner Frau, Herzogin Camilla, und seinem Sohn, Prinz William. Die Botschaft, die diese Besetzung sendete: Auch wenn die Queen kürzertreten muss, die Nachfolge ist gesichert. Es sei „ein bedeutender Moment für zwei zukünftige Könige“ gewesen, sagte der Royal-Experte Hunt. „Da sich die Queen zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurückzieht, will der Palast zeigen, dass die Monarchie in den Händen von Vater und Sohn sicher ist.“

Die Queen ist gesundheitlich angeschlagen

Mit der Gesundheit der 96-jährigen Königin steht es seit einigen Monaten nicht zum besten. Elizabeth II. muss immer wieder Termine absagen, man sieht sie mit Gehstock. Sie könne sich kaum bewegen, sagte die Queen kürzlich selbst bei einer Audienz.

Das System Monarchie hat vorgesorgt, sollte die Monarchin ausfallen: Elizabeth II. hat mehrere sogenannte „State Counsellors“, die sie vertreten können. Prinz Charles, Prinz William, Prinz Harry und Prinz Andrew können für die Queen übernehmen.

Besser auf den „top job“ vorbereitet könnte Prinz Charles kaum sein: Schließlich ist der 73-Jährige der dienstälteste Thronfolger der Welt. Keiner wartete länger.

Abdankung? Praktisch ausgeschlossen

Dass die Queen zugunsten ihres ältesten Sohnes abtritt, gilt als nahezu ausgeschlossen. In der britischen Monarchie hat, im Gegensatz zu Ländern wie den Niederlanden oder Belgien, die Abdankung keine Tradition. Zuletzt legte Elizabeths Onkel, King Edward VIII., 1936 die Krone nieder – und stürzte das Königshaus in eine schwere Krise. Die Queen, damals zehn Jahre alt, dürfte nur schlechteste Erinnerungen an diesen Vorfall haben. Elizabeth II. sieht die Krone als einen „job for life“.

Was aber theoretisch denkbar wäre: Die Queen bleibt offiziell im Amt, überträgt aber all ihre Aufgaben an ihren Sohn. Eine solche „Regency“ gab es zuletzt vor mehr als 200 Jahren: Damals übernahm Prinz Georg, später King George IV., die Amtsgeschäfte von seinem geisteskranken Vater George III. bis zu dessen Tod 1820.

Queen sammelt Kräfte fürs „Platinum Jubilee“

Noch sieht es nicht danach aus, als würde man im Palast eine solche „Regency“ ernsthaft erwägen. Doch, dass Charles Aufgaben von seiner Mutter übernimmt, wird künftig eher häufiger als seltener der Fall sein. Ins Ausland reist die Queen schon länger nicht mehr, auch Termine in Großbritannien sagte sie zuletzt häufiger ab.

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Offenbar schont sich Elizabeth II. auch deshalb, um bei den Feierlichkeiten zu ihrem „Platinum Jubilee“ im Juni auf der Höhe zu sein. Dann will die Queen an so vielen Veranstaltungen zu ihrem 70. Thronjubiläum wie möglich teilnehmen – und auf dem Balkon von Buckingham Palace stehen.