Aus nur zwei Zähnen und einer Kniescheibe können Forschende schließen: Sie haben es mit einer neuen Menschenaffenart zu tun. Diese lebte vor rund zwölf Millionen Jahren im Allgäu.
Mit Ausnahme des Menschen leben Menschenaffen heute nur noch in tropischen Regionen. Doch vor rund zwölf Millionen Jahren war das anders. Im Miozän, als es auf der Erde viel wärmer war, tummelten sich auch in Europa zahlreiche Menschenaffen-Arten.
16. Menschenaffen-Art entdeckt
15 kannte die Wissenschaft bisher, nun ist eine 16. Art beschrieben worden. Entdeckt hat den neuen Menschenaffen ein Forschungsteam um Madelaine Böhme von der Universität Tübingen und dem Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment.
Die versteinerten Fossilien lagen in der Allgäuer Tongrube „Hammerschmiede“, wo auch schon die Fossilien des Menschenaffen Danuvius guggenmosi gefunden worden waren, der 2019 erstmals beschrieben wurde und den Beinamen „Udo“ erhielt.
Das Tübinger Forscherteam hatte zwischen 2015 und 2018 in einem Bachlauf der Tongrube Hammerschmiede auf der Gemarkung der Gemeinde Pforzen im Unterallgäu die versteinerten Fossilien entdeckt.
Die neue Primatenart sei aber noch viel kleiner als der etwa ein Meter große Danuvius, schreiben die Forschenden im Fachmagazin „PLoS ONE“.
Primat Buronius manfredschmidi wog 10 Kilogramm
Sie schätzen das Gewicht auf etwa zehn Kilogramm. Der Primat sei wahrscheinlich ein guter Kletterer gewesen, der sich überwiegend von Blättern ernährte und die meiste Zeit weit oben in den Bäumen verbrachte. Die Art, die vor 11,62 Millionen Jahren lebte, erhielt den Namen Buronius manfredschmidi.
Bei den Fossilien handelt es sich um zwei Zähne und eine Kniescheibe, die wohl von zwei unterschiedlichen Individuen stammen. Ausgegraben worden seien die Stücke bereits 2011 und 2017, erzählt Böhme. „Die Funde haben uns schon damals Hinweise gegeben auf einen Affen, aber wir haben sie erst einmal beiseite gelegt.“
Kein primitives Äffchen, sondern ein evolvierter Menschenaffe
Nach der Entdeckung von Danuvius hätten sie die Fundstücke noch einmal richtig angeschaut. „Da merkten wir: Das ist überhaupt kein primitives Äffchen, sondern ein evolvierter Menschenaffe.“ Vor allem die geringe Größe der Buronius-Fossilien habe sie dabei erstaunt, fuhr Böhme fort.
„Wir kennen keinen kleineren Hominiden. Es ist der kleinste Hominide.“ Außerdem sei es sehr ungewöhnlich, dass sie Knochen von zwei verschiedenen Menschenaffen- Gruppen – also Danuvius und Buronius – in genau der gleichen Fundschicht entdeckt hätten. „Sie teilten sich also einen Lebensraum“, schlussfolgert Böhme.
Neuer Vorfahre des Menschen
Die Forscher nehmen an, dass die Lebensweise der beiden Arten sehr unterschiedlich war und sie sich deswegen, trotz des geteilten Lebensraums, kaum Konkurrenz machten. Der neu entdeckte Buronius weist einen vergleichsweise dünnen Zahn auf, ähnlich wie heutige Gorillas, und hat sich wahrscheinlich überwiegend von Blättern und auch Früchten ernährt.
Danuvius hingegen hatte einen dickeren Zahnschmelz, vergleichbar mit dem Menschen heute, und dürfte ein Allesfresser gewesen sein. „Die Vermutung ist: Buronius lebte oben in den Bäumen, der zweibeinige Danuvius verließ eher seine Bäume und durchstreifte ein weiteres Gebiet auf Nahrungssuche“, erklärt Böhme.
Allgäu vor 11,6 Millionen Jahren
Böhme skizziert die Landschaft im Allgäu im Miozän so: Buchen, Birken, Erlen, Kiefern und andere Bäume bildeten einen Mischwald. Obwohl es mit über 20 Grad Jahresdurchschnittstemperatur sehr warm war, warfen die Laubbäume im Winter ihre Blätter ab. „Denn auch damals gab es im Winter kurze Tage“, so Böhme.
Diese Zeit habe Buronius mit Notnahrung überstehen müssen, vielleicht mit ein paar alten Blättern, Borken und Ameiseneiern. Zum Aussehen des neu entdeckten Menschenaffen hingegen kann Böhme keine konkreten Aussagen machen, dazu reichten die Funde nicht aus. „Das kann ich nicht bieten, das wäre alles völlige Spekulation.“