Futuristischer Stil im Treppenhaus Foto: Gottfried Stoppel

Das neue Landratsamt soll mehr sein als ein Gebäude. Doch was steckt hinter dem „Haus der Zukunft“, das Klima und Kasse entlasten soll? Wir haben bereits einen Blick hinein geworfen.

Noch rappeln die Gerüste, es riecht nach Holz und Estrich, und durch die Gänge fegt mehr Staub als Aktenluft. Doch am Samstagabend, zur Remstal-Museumsnacht, soll das neue Verwaltungsgebäude des Rems-Murr-Kreises zum Symbol des Wandels werden: „Unser Landratsamt der Zukunft“, so das selbstbewusste Motto. Die offizielle Schlüsselübergabe inszeniert Landrat Richard Sigel am Vortag. Danach wird’s öffentlich.

 

Die Bürgerinnen und Bürger sollen erstmals Einblick in das bekommen, was in den vergangenen Jahren auf dem alten Parkdeck-Gelände entstanden ist – und das in mehrfacher Hinsicht als Pilotprojekt gelten darf.

Architekt Hellmut Schiefer (links) und Landrat Richard Sigel vor dem Modell des neuen Landratsamts in Waiblingen. Foto: Frank Rodenhausen

Landrat: Neue Strukturen radikal umgesetzt

Das Gebäude ist weit mehr als ein Verwaltungsbau: Es ist ein Statement. Für eine moderne, ökologisch verantwortungsvolle und digital aufgestellte Verwaltung. „Wir haben neue Strukturen radikal umgesetzt“, betont der Landrat Sigel. Und das spürt man nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Organisation. Der Bau folgt laut Sigel einer klaren Digitalstrategie: papierarme Prozesse, flexible Heimarbeitsplätze, hybride Beratungsmodelle und ein intelligentes Nutzungskonzept, das analoge und digitale Servicewelten verbindet.

Die Photovoltaikanlagen auf Dach und Fassade – Letztere als solche nicht zu erkennen – produzieren künftig so viel Strom, dass der Eigenbedarf des Hauses weitgehend gedeckt wird. Ergänzt wird das nachhaltige Energiekonzept durch Regenwassernutzung, Recyclingbeton und durchdachte Materialwahl – zertifiziert mit dem Goldstandard der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen.

Von der Theorie zur Praxis: Umzug Ende Juni

Noch sind nicht alle Räume bezugsfertig, doch das Ziel ist gesetzt: Bis zum 1. Juli soll der Großteil der Mitarbeitenden, vor allem aus dem Sozialdezernat, in das neue Haus einziehen. Auf vier Stockwerken bietet der Neubau Platz für rund 350 Mitarbeitende. Die einzelnen Arbeitsplätze sind flexibel nutzbar, lediglich 80 Prozent sind fest vergeben. Grund dafür sind die hohe Teilzeitquote von rund 70 Prozent sowie die inzwischen auch im Amt gelebte Homeoffice-Kultur. Einzelbüros sucht man vergeblich – stattdessen dominieren Vierer- und Sechser-Inseln mit Rückzugsnischen.

Über fünf Stockwerke reicht das Gebäude. Foto: Gottfried Stoppel

Die Raumstruktur folgt dem sogenannten Drei-Zonen-Modell: ein öffentlicher Empfangsbereich, eine halböffentliche Beratungsebene mit transparenten Glaswänden und das interne Backoffice. Alles ist barrierefrei erreichbar, durchlässig und offen gedacht – räumlich wie institutionell. „Ein Gebäude, das Kommunikation fördert, statt sie zu blockieren“, so Architekt Hellmut Schiefer vom Stuttgarter Büro a+r.

Zahlen und Fakten zum Neubau

  • 350 Mitarbeitende ziehen auf 4175 Quadratmeter Bürofläche ein.
  • Das Verhältnis von Arbeitsplätzen zu Mitarbeitenden ist 0,8.
  • In der Tiefgarage gibt es 214 Stellplätze und 100 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge sowie 160 Fahrradstellplätze.
  • Auf der Baustelle wurden 21 850 Kubikmeter Erdaushub bewegt und 830 Kubikmeter Holz verbaut.

Noch nicht alles fertig – aber schon vieles möglich

Auch wenn das Gebäude nun für eine Nacht für Besucher geöffnet wird: Es bleibt vorerst noch eine halbe Baustelle. Die Außenanlagen – unter anderem mit biodiverser Bepflanzung – werden erst zu einem späteren Zeitpunkt vollständig fertiggestellt. Der Baustellenzugang und damit die Einschränkungen im Bereich der AOK-Kreuzung bleiben daher wohl auch über den Sommer bestehen. Ein wichtiges Etappenziel wird aber schon Ende Juni erreicht: Zum Waiblinger Altstadtfest soll die neue Tiefgarage mit ihren 214 Stellplätzen und 100 E-Ladepunkten nutzbar sein.

Vielfältiges Einweihungsprogramm: Verwaltung neu erleben

Das zeigt auch das vielfältige Programm zur Einweihung: Escape-Room der Kriminalpolizei, Inklusions-Parcours, Klinik-Einblicke, ein Azubi-Café sowie eine Weinverkostung auf der Dachterrasse. Letztere wird von der ehemaligen württembergischen Weinprinzessin und heutigen Personalchefin Anja Off persönlich moderiert. „Wir wollen zeigen, dass Verwaltung mehr sein kann als Behörde. Nämlich ein Ort des Dialogs, des Austauschs und der Lebensnähe“, sagt Sigel.

Insgesamt hat der Kreis rund 66 Millionen Euro in den Neubau investiert – rund zehn Prozent mehr als ursprünglich geplant. Doch angesichts globaler Krisen und explodierender Baupreise spricht man im Landratsamt von einem mehr als vertretbaren Rahmen. Immerhin: Der Neubau ersetzt mehrere Mietobjekte und spart dem Kreis künftig jährlich rund eine Million Euro an Mietkosten. Hinzu kommt eine CO₂-Einsparung von bis zu 153 Tonnen pro Jahr – ein starkes Argument in Zeiten knapper öffentlicher Kassen und wachsendem Klimabewusstsein.

Das Gebäude ist nicht nur ein Meilenstein für den Rems-Murr-Kreis, sondern auch ein Modellprojekt für andere Kommunen. Schon jetzt kommen regelmäßig Delegationen aus anderen Landkreisen zur Besichtigung – unter anderem auch zur „Immobilienwerkstatt“ im Frühjahr vergangenen Jahres. Auch die Landespolitik schaut genau hin: Wie gelingt der Spagat zwischen Effizienz, Bürgernähe und Nachhaltigkeit?

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, hat dazu am Samstag Gelegenheit. Dann wird aus der Baustelle ein Erlebnisraum, aus dem Verwaltungsbau ein öffentlicher Ort – und aus der Zukunft eine Einladung.

Nacht der offenen Tür

Wann und wo?
Die Nacht der offenen Tür findet am Samstag, 17. Mai, von 18 bis 24 Uhr am Alten Postplatz 10 in Waiblingen statt. Anreise per Bus (Haltestelle Stadtmitte), Parken kann man direkt gegenüber in der Postplatzgarage.

Infos
Weitere Informationen findet man auf der Homepage des Landratsamts unter www.rems-murr-kreis.de.