Die Lobby des Landtags wird zum Kino einer Preview: Im Hohen Haus sehen 300 Gäste vorab, wie die „Soko Stuttgart“ erstmals die Politbühne betritt. Landtagspräsidentin Muhterem Aras dankt dem ZDF, dass der Krimi ihre Stadt als „lebenswert“ darstelle.
Vor über 20 Jahren hat Regisseur Oliver Storz für die ARD den Zweiteiler „Im Schatten der Macht“ gedreht, bei dem es um die letzten 14 Tage vor dem Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt geht. Genau diesen Titel hat das ZDF für die Krimiserie „Soko Stuttgart“ gewählt, deren Folge 383 am 6. Februar im linearen Fernsehen gezeigt wird. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) dreht am Dienstagabend den Titel etwas um, da sie 300 Gäste (zahlreiche Abgeordnete, das gesamte Schauspiel- und Produktionsteam sowie Polizeipräsidentin Stefanie Hinz und Staatssekretär Arne Braun) in der Lobby des Hohen Hauses zur Preview begrüßt. Die Macht, sagt sie, solle „aus dem Schatten geholt werden“.
Aras begrüßt es deshalb sehr, dass die Lobby des Parlaments zum Kinosaal wird. Anlass dafür ist, dass die 2009 gestartete Krimiserie erstmals eine Leiche in den Landtag platziert, korrekter: davor, nämlich draußen im Agora-Hof unterhalb der Freitreppe. In der „Herzkammer der Demokratie“ kann deshalb die Preview gefeiert werden, was wichtig sei: Denn das Hohe Haus sei ein „offenes Haus“, wie die Grüne versichert. Die Skaterszene treffe sich mit ihrer Zustimmung vor dem Landtag, da der „öffentliche Raum“ für alle da sei. Prompt kommen auch in der neuen Folge die Skater vor.
Im Vorabend hat ein Politthriller keinen Platz
Muhterem Aras nutzt die Gelegenheit, da das ZDF seinen stellvertretenden Programmdirektor Frank Zervos von Mainz nach Stuttgart entsandt hat (dieser macht am Rednerpult erst mal ein Selfie, das er seinem Intendanten schicken will), sich beim Sender zu bedanken. In der „Soko“ werde ihre Heimatstadt Stuttgart als „lebenswerte Stadt“ dargestellt, gleichwohl eine „Stadt mit Herausforderungen“.
Auch wenn das Ermittlerteam um Astrid Fünderich erstmals die Politbühne betritt, wird kein Politthriller daraus. Im Publikum sitzen unter anderem die Fraktionschef Andreas Schoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP), die das machen, was Krimizuschauer daheim gern machen: Sie raten bei der Überführung des Täters oder der Täterin mit. Schon rasch wird ihnen klar, dass der verdächtige Politiker nicht der Mörder war. Noch bevor es die „Soko“-Ermittler in der Geschichte wissen, haben die beiden in der rot-gelben Koalition den Fall geklärt: Es war ... – ja, das wird man im Februar im ZDF sehen.
Im Vorabend hat ein Politthriller keinen Platz – ganz anders als beim jüngst ausgestrahlten „Tatort“ aus Stuttgart, der weitaus mehr fesselt als „Im Schatten der Macht“. Ein „Tatort“ steht aber auch nicht unter so großem Zeitdruck. Für den Vorabend muss alles recht schnell gehen: Pro „Soko“-Folge ist gerade mal eine Drehzeit von sechseinhalb Tagen vorgesehen. Im Landtag war das Team mit 60 Leuten im vergangenen Sommer lediglich an drei Tagen. Um „Emotionen“ geht es den „Soko“-Machern, weshalb die ermordete Umweltaktivistin aus Leonberg, die sich gegen Windkrafträder wehrt, um Vögel zu schützen, aus Eifersucht sterben muss.
Pro Folge schauen etwa vier Millionen zu
Die Fernsehleute lernen das Landesparlament kennen – und die Politik bekommt einen Einblick in die Krimiarbeit. Mit dreieinhalb Millionen Zuschauern im Schnitt im linearen Fernsehen (plus 400 000 User in der Mediathek) zählt die „Soko Stuttgart“ im 16. Jahr seines Bestehens zu den erfolgreichsten Serien im ZDF, produziert von Bavaria Fiction. Wie der Altersschnitt der Zuschauer ist, lässt sich erahnen, wenn man die Werbung in der „Soko“ sieht – da geht es um Hilfen bei Prostatabeschwerden und um Slipeinlagen bei Inkontinenz. In der Mediathek soll das Publikum jünger sein.
Schauspieler Peter Ketnath sagt, die Filmarbeit im Landtag sei ein Traum gewesen, da man „drinnen absolut vom Verkehr draußen nichts hört“. Die Ruhe, erklärt ihm Aras, habe daran gelegen, dass man in der sitzungsfreien Woche gedreht habe, sonst gehe es am Ort hitziger Debatten „sehr laut“ zu. Regisseurin Caroline Leipold lobt die „Rundumsicht“ aus dem verglasten Landtag auf die Stadt. Und der Programmvize Frank Zervos vom ZDF sagt, angesichts der Fake News müssten öffentlich-rechtliche Sender „ein Anker“ sein. Sein Dank gilt der Stadt Stuttgart, die bei Drehgenehmigungen im öffentlichen Raum hilfreich sei.
Michael Gaedt, der den „Schrotti“ spielt, in der neuen Folge aber nicht dabei ist, erklärt den Schauspielkollegen am Ende noch, worauf es bei Gruppenbilder ankommt: Niemals dürfe man sich außen neben eine schöne Frau stellen, denn auf dieser Außenposition werde man vom Fotografen weggeschnitten (nein, wir haben niemanden weggeschnitten).
Krimis erlauben kleine Fluchten aus der Realität
Warum Krimis so erfolgreich sind? „Krimis bieten einen klaren Rahmen“, erklärt ZDF-Mann Zervos, „das Böse stört das Gute – und am Ende wird meist das Böse besiegt.“ Krimis erlauben kleine Fluchten aus der Realität daheim auf dem sicheren Sofa, mit denen man sich an den Abgründen anderer ergötzen kann, ohne selbst involviert zu sein. Landtagspräsidentin Muhterem Aras nutzt den Krimiabend der Preview, um dazu aufzurufen, die Demokratie zu stärken, wo immer es geht. Auch wenn man dafür auf einem Skateboard rast.