Die internationale Presse würdigt den verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Schmidt nicht nur als großen Politiker. Wir geben einen Überblick.Die "New York Times" schreibt: "Mr. Schmidt war jahrzehntelang einer der beliebtesten Politiker Westdeutschlands." Foto: Screenshot red

Ob BBC, CNN oder die New York Times – sie alle würdigten den deutschen Altkanzler Helmut Schmidt nach seinem Tod mit einer ausführlichen Berichterstattung. Ein Überblick über die Pressestimmen.

Stuttgart - Helmut Schmidt geht – und die Weltpresse gedenkt einem großen deutschen Politiker. Viele erinnern dabei auch an die großen Zitate des einstigen Kanzlers, hauptsächlich wird aber die Lebensleistung und das politische Wirken gewürdigt. Ähnlich wie unmittelbar nach dem Tod schon diverse Politiker ihr Beileid bekundet haben.

In unserer Fotostrecke haben wir die internationalen Pressestimmen der Online-Portale einiger großer Zeitungen und Verlage gesammelt. Darunter auch eine Fotostrecke der "China Daily" mit vielen alten Bildern von Helmut Schmidt.

Auch in den Kommentarspalten würdigten deutsche und internationale Medien den Ausnahmepolitiker Helmut Schmidt:

Internationale Kommentare zum Tod von Schmidt

Il Messaggero (Italien): „Für die Physik haben alle Körper einen Schwerpunkt. Aber auch in der Geschichte eines jeden Volkes gibt es ein Baryzentrum, und für das Nachkriegsdeutschland trägt dieser Punkt den Namen Helmut Schmidt. Sozialdemokratisch und gemäßigt, für die Arbeiter und zugleich ein Aristokrat, ist der Kanzler, der die Bundesrepublik an Frankreich und in Europa verankerte, gestern im Alter von 96 Jahren gestorben, hellwach bis zum Ende. Für die nicht mehr ganz jungen Italiener ist Schmidt der beherrschte und zugleich spöttische Herr, der belustigt auf Präsident Sandro Pertini schaut, der begeistert aufspringt bei den Toren der Azzurri im historischen Endspiel Italien-Deutschland bei der Weltmeisterschaft 1982 (das wir gewannen). Wenige Monate später musste der Kanzler eine durchaus viel schwerere Niederlage einstecken: dem Christdemokraten Helmut Kohl gelang es, ihm die liberalen Verbündeten auszuspannen und im Bündnis mit ihnen seinen Sturz herbeizuführen.“

NZZ (Schweiz): „Seine große Beliebtheit auch bei Deutschen, die ihn nie oder nur als Kinder als Bundeskanzler erlebt hatten, verdankte Schmidt gerade seiner unverblümten Art. Er war, nicht nur als Kettenraucher ohne Rücksicht auf Rauchverbote, das personifizierte Gegenteil der politischen Korrektheit und erfüllte so die Sehnsucht der Öffentlichkeit nach dem ehrlichen, unbequemen und durchaus autoritären Staatsmann. Angesichts der Flüchtlingskrise, der inkohärenten Politik der Kanzlerin Angela Merkel und der verzagt agierenden SPD erschien Schmidt für viele Deutsche erst recht als eine leuchtende Figur. Dieser Gegensatz schwang auch in der Reaktion von Finanzminister Wolfgang Schäuble mit: Schmidt habe Politik kraftvoll gestaltet - gerade auch in Krisenzeiten.“

Nationale Kommentare zum Tod von Schmidt

Rhein-Zeitung: „Der Mann aus Hamburg-Barmbek war Hanseat durch und durch: diszipliniert bis zur Selbsterschöpfung. Nach außen wirkte er oft unterkühlt im Ton, manchmal schroff und arrogant. Doch die Deutschen schätzten ihn als Macher, Krisenmanager, Staatslenker, Deuter und Lotse der Zeitläufte. Mit Helmut Schmidt ist einer der letzten großen Staatsmänner des vergangenen Jahrhunderts gestorben. In seinen Worten, man möchte sagen in seinem Gesicht haben sich die großen Tragödien des 20. Jahrhunderts eingeprägt. Auch ob dieser tiefen Erfahrungen werden die Menschen ihn vermissen - als Ratgeber, unbequemen Mahner, als Hoffnungsgeber. Helmut Schmidt, so scheint es, hielt sein Leben für komplett. „Er will und kann nicht mehr“, sagte sein Arzt am Abend vor seinem Tod. Er hatte alles gesagt, genug auf dieser Erde erlebt. Ein wahrlich schöner Grund zu gehen.“

Neue Osnabrücker Zeitung: „Die Flut. Loki. Zigaretten. Mogadischu, Stammheim und die Schiffermütze. Der Brahmsee. Der Scheitel. Seine Jugend im Nazi-Regime, die steten und strengen Mahnungen zur Welt- und Wirtschaftspolitik. Sie werden fehlen. Helmut Schmidt ist tot. Deutschland trauert. Die Bewunderung für ihn war groß, die Anerkennung riesig. Ob es immer auch Liebe war? Kühl war Schmidt als Mensch, klar in der Analyse, knapp und kantig im Ausdruck. Er war eine Persönlichkeit aus einer anderen Zeit. Hanseat statt Hampelmann, mehr Bismarck als Obama. Wer ihn erleben durfte, wird ihn nicht vergessen. Schmidt ist Legende.“

Badische Zeitung: „Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass er, der als Kanzler umstritten und von seiner Partei letztlich nicht mehr ertragen worden war, im Alter zum Universalratgeber der Deutschen wurde. Nicht nur die SPD, fast die gesamte Nation saß ihm zu Füßen, wenn er über Gott und die Welt sinnierte und dabei an den nachgeborenen Politikern selten ein gutes Haar ließ. Da wurde einem schmerzhaft bewusst, was verloren geht, wenn Politik tatsächlich nur noch gemanagt wird. Helmut Schmidt war - wie Helmut Kohl in der Union - Grenzgänger zwischen der stark ideengetriebenen Nachkriegspolitik und dem darauf folgenden Machtmanagement à la Schröder und Merkel. Doch seine Zeit ist längst vergangen. Fehlen wird er umso mehr.“

Hannoversche Allgemeine Zeitung: „Die wahren Sternstunden dieses Kanzlers ereigneten sich abseits der Öffentlichkeit: bei vertraulichen Begegnungen mit Giscard d’Estaing, dem französischen Präsidenten. Wie heute gab es im rezessionsgeplagten Europa der siebziger Jahre Ängste vor Wohlstandsverlusten, wie heute blickten Bürger misstrauisch auf die europäischen Institutionen. Schmidt und Giscard aber antworteten auf die Krise nicht mit weniger, sondern mit mehr europäischer Zusammenarbeit. Enger denn je wurde die Wirtschaftspolitik abgestimmt. Im klugen Zusammenrücken in der Krise liegt eine Mahnung an das Europa dieser Tage. Wer gibt heute solche Beispiele? In die Trauer mischt sich Beklommenheit: Mit dem Tod von Helmut Schmidt hat nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa ein Vorbild verloren.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung: „An die politische Lebensleistung Konrad Adenauers und Helmut Kohls kam er nie heran, er war auch nicht so umschwärmt wie Willy Brandt, nicht so kumpelhaft wie Gerhard Schröder, nicht so kontrolliert wie Angela Merkel. Doch Helmut Schmidt übertrumpfte sie alle, weil er Eleganz und Macht verband. „Macht und Eleganz“ taufte er die Skulptur Henry Moores vor dem Bonner Kanzleramt, in das er 1976 aus dem Palais Schaumburg umzog und das er in eine Galerie verwandelte. Auch das zeigte, bei aller Bärbeißigkeit, die Schmidt oft und gerne zur Schau stellte, seinen ästhetischen Zugang zur Politik (...). Er entschied sich nach dem Krieg auch deshalb für die SPD, weil es eleganter, „schöner“ und dramatischer war, für eine Partei zu arbeiten, die planen, steuern und lenken, nicht beharren, reagieren und bewahren wollte.“