Er ist gegen den EU-Austritt: Demonstrant vor dem Unterhaus in London Foto: AFP

Schon zum zweiten Mal ist Theresa Mays Brexit-Deal mit der EU in britischen Unterhaus durchgefallen. Die Premierminister erntet verheerende Kommentare für ihr Scheitern.

Stuttgart - Idioten im britischen Unterhaus, Ende der Geduld, Chaos abwenden: Das Nein des britischen Parlaments zum nachgebesserten Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May löst bei vielen Kommentatoren Kopfschütteln, aber auch Sorgen vor der Zukunft aus:

„Telegraph“ (London): „Und wenn das Vereinigte Königreich nun unweigerlich mehr Zeit für den Brexit-Prozess verlangt, hoffen die Brexit-Befürworter, dass einer innerhalb der EU27 mit seinem Einspruch alles zum Scheitern bringt. Egal wie es ausgeht, er (der Brexit-Prozess) wird den Launen der EU ausgeliefert sein.“

„Scotsman“ (Edinburg): „Sicher hat Großbritannien jetzt die Nase voll von Idioten im Unterhaus, die ernsthaft über einen ungeregelten Austritt nachdenken. Es mag unwahrscheinlich aussehen, dass die Abgeordneten das unterstützen werden. Aber die Unterstützung ist noch immer groß genug, dass Theresa May es für nötig hält, den Fraktionszwang für ihre Abgeordneten aufzuheben.“

„Irish Times“ (Dublin): „Dass die DUP (die größte protestantische und unionistische Partei in Nordirland, d. Red.) den Brexit überhaupt unterstützt, ist unerklärlich, und sie war bisher nicht in der Lage, eine glaubwürdige Lösung für die irische Grenzfrage vorzuschlagen. Bei einem No-Deal-Brexit würde der Norden enorm in Mitleidenschaft gezogen.“

„Der Standard“ (Wien): „Jetzt geht es nur noch darum, das Chaos abzuwenden. Dazu bedarf es einer Verlängerung der Verhandlungsphase. Die EU tut gut daran, wie am Montag in Straßburg auch weiterhin den Briten die Hand zu reichen.“

Der Zürcher „Tages-Anzeiger“ (Zürich): „Großbritanniens europäische Partner sind nicht schuld am Brexit-Chaos. Theresa May hat sich das selber eingebrockt. Die britische Premierministerin hat ihre roten Linien aus Rücksicht auf die Hardliner in den eigenen Reihen so eng gezogen, dass von Anfang an nicht viel Spielraum für Konzessionen war. Der Brexit ist ohnehin ein Desaster mit Ankündigung. Ein Projekt englischer Nationalisten, befeuert durch Lügen und Gelder aus undurchsichtigen Quellen. Die Brexiteers gaukelten vor, das Land in eine vermeintlich glorreiche Vergangenheit zurückzuführen. Die Briten sind nicht alleine mit diesem Traum. Aber nirgendwo hat dieser Traum das Klima so vergiftet, die Bevölkerung derart gespalten und eine politische Klasse desavouiert.“

„Corriere della Sera“ (Mailand): „Es ist keine Panik, es ist keine Wut, es ist noch nicht mal Frust: Das, was man in London spürt, ist Müdigkeit. Die britische Regierung weiß nicht, was sie tun soll. Und die Nation findet keinen Ausweg aus einer Situation, die viele Kommentatoren – weil ihnen nichts anderes einfällt – als Posse bezeichnen. Aber die Posse bewegt keinen zum Lachen. Die Abstimmung im Parlament, die zweite Niederlage von Theresa May in weniger als zwei Monaten, ist verheerend. Mehr als ein politisches und juristisches ist es ein psychologisches Drama. Vielen – der Mehrheit – fällt auf, dass sie beim Referendum 2016 betrogen wurden.“

„De Standaard“ (Brüssel): „Die Geduld mit den unentschlossenen Briten ist am Ende. Szenarien für ein neues Referendum bieten keine Lösung. Jeder Tag, den dieser zermürbende Streit länger andauert, belastet die künftigen Beziehungen zwischen der EU und ihrem ehemaligen Mitgliedstaat stärker.“

„Diena“ (Riga): „Für die britische Politik verspricht diese Woche eine der dramatischsten der vergangenen Jahrzehnte zu werden – eine Anzahl wichtiger Abstimmungen im Parlament wird entscheidend für die Zukunft des Landes sein.“