Martin Haar, Redakteur bei den Stuttgarter Nachrichten Foto: Rüdiger Ott

Beim Pressestammtisch spricht Martin Haar von den Stuttgarter Nachrichten über Sterbehilfe. Dabei geht es auch um Giftcocktails und das Geschäft mit dem Tod.

Möhringen/Echterdingen - Mord oder Barmherzigkeit: Zwischen diesen Extremen pendeln die Ansichten, wenn es um Sterbehilfe geht. Die Begriffe hat Martin Haar für den Titel seines Vortrags beim Pressestammtisch in der Echterdinger Zehntscheuer gewählt. Vor rund 40 Zuhörern sprach der Lokalredakteur der Stuttgarter Nachrichten über die politische und gesellschaftliche Debatte über Sterbehilfe. Die angeregte Diskussion bei der gemeinsamen Veranstaltung der Filder-Zeitung und des Stadtseniorenrats am Dienstag, 8. September, unterstrich die Relevanz des Themas, das Martin Haar mitgebracht hatte.

„Wer selbstbestimmt gelebt hat, will auch selbstbestimmt sterben“, zitierte er eingangs den deutschen Liedermacher Konstantin Wecker. Das verbiete aber die deutsche Gesetzeslage, in die Haar in seinem Vortrag kurz einführte. Ein Arzt dürfe im Rahmen der Palliativversorgung alles tun, um die Schmerzen seiner Patienten zu lindern. „Der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen ist erlaubt, vorausgesetzt, der Betroffene hat es ausdrücklich so gewollt“, führte Haar aus. In diesem Zusammenhang verwies er auf die große Bedeutung von Patientenverfügungen.

Der Giftcocktail sollte nur das allerletzte Mittel sein

Dem pensionierten Arzt Johann Frahm gehen die Möglichkeiten nicht weit genug. „Es kann nicht sein, dass sich jemand vor den Zug werfen muss, wenn er sterben will“, sagte er bei der Diskussion. Dennoch dürfe das Schlucken eines Giftcocktails, das in der Schweiz möglich sei, nur das allerletzte Mittel sein. „Man muss immer die Hintergründe kennen und zunächst alles versuchen, um die Menschen davon abzuhalten“, sagte Frahm.

Auch Martin Haar warf einen Blick auf die Situation in anderen Ländern: „In den Niederlanden und in Belgien ist die Tötung auf Verlangen ebenso erlaubt wie in der Schweiz, wo Organisationen wie Exit oder Dignitas Sterbehilfe leisten“, sagte er. Der Journalist hat sich beim Kirchentag in Stuttgart Anfang Juni angehört, was Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zur Situation in Deutschland zu sagen hatte. Es solle kein Geschäft mit dem Tod geben, fasste Haar Gröhes Position zusammen. Für den Minister sei es nicht vorstellbar, dass Organisationen Geld mit dem Tod verdienten.

Haar zeigte teils kontroverse Positionen weiterer Akteure auf. „Die Kirchen stellen sich gegen jede Form von Sterbehilfe, die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben fragt dagegen, warum Gott seine Geschöpfe leiden lasse“, sagte Haar. Viele Zuhörer meldeten sich bei der Diskussion zu Wort, schilderten teils persönliche Schicksalsschläge und Empfindungen beim Verlust von Angehörigen. Ein 83-jähriger Zuhörer brachte auf den Punkt, wie persönlich das Thema ist: „Die Einstellung kann sich schnell ändern, wenn man selbst betroffen ist.“